Die Geishas des Captain Fishby
dem
chinesische Schriftzeichen, die sogenannten Kanji, mit schwarzer Tusche gemalt
waren. „Das ist, wie ,Lotosblüte’ sagt, ein Wort aus der klassischen
Literatur“, erklärte Sakini. „Aber ich kann diese Zeichen nicht entziffern. Ich
kann nur die Katakana- und die Hiragana-Silbenschrift.“
Fisby war es schleierhaft, wie er
etwas andächtig betrachten solle, dessen Sinn er nicht verstand, und außerdem
fand er, daß eine so bedeutsame Inschrift zumindest auf eine Rolle aus edler
Brokatseide und nicht auf diesen gewöhnlichen Stoff gehörte. „Chef“, fuhr
Sakini leise fort, „,Lotosblüte’ sagt, Seiko hat diese Buchstaben gemalt, und
Sie möchten sie doch genau betrachten und Ihr Augenmerk besonders auf den
lebendigen Schwung und die fließende Bewegtheit der Schriftzeichen richten —
darin offenbart sich Seikos freier und weiter Geist deutlich.“
Fisby sah nun plötzlich die Schrift
auf der Rolle mit ganz anderen Augen an und mußte zugeben, daß Seiko hier etwas
Meisterliches gelungen war. Als nächstes betrachteten sie den
Weihrauchbehälter, der auf einer kleinen Seidendecke stand und worin
zerriebenes Aloeholz aufbewahrt wurde — ein Werk Kieis. Nachdem damit der erste
Teil der Zeremonie vorüber war, ließ man sich auf den Binsenmatten nieder.
Fräulein Higa-Jiga nahm als erste das Wort, und Fisby bemerkte, daß
„Lotosblüte“ über das, was sie sagte, ganz außer sich zu sein schien.
„Was ist denn nun schon wieder,
Sakini?“ fragte er beunruhigt.
„Ach, Fräulein Higa-Jiga meint“,
antwortete Sakini, „daß sie nun eigentlich das Kaiseki-Mahl anbieten müsse,
aber es ist leider unmöglich, da Sie alle die japanischen Rationen, die wir in
den Höhlen gefunden, dem Teehaus überlassen haben. Wenn Sie nun so nett wären und
es denen wieder wegnähmen und der Frauenliga übergäben, könnte sie das
Kaiseki-Mahl bereiten.“
Fisby spürte, wie ihm der Schweiß auf
die Stirn trat, aber bevor er etwas erwidern konnte, redete „Lotosblüte“
sichtlich verärgert auf Fräulein Higa-Jiga ein. Sie habe, wie Sakini
übersetzte, noch nie gehört, daß eine Gastgeberin ihrem Hauptgast mit derlei
Dingen komme, und finde es einfach empörend. Es war eine lange Strafpredigt,
die Fräulein Higa-Jiga über sich ergehen lassen mußte. Dann erhob sich „Lotosblüte“,
verneigte sich vor Fisby und ließ sagen, daß sie jetzt alle miteinander wieder
in den Garten gehen wollten. Von neuem nahmen sie draußen auf der Steinbank
Platz. Aber Fisby brachte nun nicht mehr die innere Beschaulichkeit auf, zu der
er eigentlich verpflichtet war. Fräulein Higa-Jigas Anspielung auf die
japanischen Rationen machte ihm sehr zu schaffen. Es stimmte schon — sie hätten
gerechter verteilt werden müssen. Offensichtlich war aber auch „Lotosblüte“
nicht mehr so ganz ihren Meditationen hingegeben. Obwohl sie sich gewiß alle
Mühe gab, ihren Arger zu unterdrücken und sich innerlich zu konzentrieren,
verrieten das Funkeln in ihren Augen und das flammende Rot auf ihren Wangen
doch, daß es ihr nicht gelang.
Als plötzlich ein Gong erdröhnte, fuhr
sie zusammen und verlor endgültig die Fassung. Schon wieder war Fräulein
Higa-Jiga die Missetäterin. Statt den Gong so anzuschlagen, daß der Ton sanft
über den Garten hin verschwebte und sich mit dem Rauschen der Bäume vermählte,
trommelte sie mit einer solchen Wucht, daß es wie ein Trompetenstoß klang, der
Schiffe wie von einem fernen Leuchtturm her vor irgendwelchen Felsenklippen
hätte warnen können.
Nach diesem betrüblichen Zwischenfall
erhoben sie sich alle miteinander, schritten den Steinpfad entlang zurück,
reinigten sich von neuem und betraten zum zweiten Male das Cha-no-yu-Haus, wo
sie sich auf den Matten niederließen, und der zweite Teil der Zeremonie begann.
Fräulein Higa-Jiga mußte jetzt Koicha,
einen dickflüssigen Tee, bereiten, und die Gäste hatten dabei auf das Summen
des kochenden Wassers zu lauschen, das, wie „Lotosblüte“ versicherte, an das
Rauschen des Windes in den Wipfeln der Kiefern erinnerte. Nicht nur innerer
Frieden sollte hier geschenkt werden, sondern auch eine Ahnung der das All durchströmenden
Wahrheit und Weisheit.
Koicha wurde, wie Fisby sah,
zubereitet, indem man drei Löffel Teestaub in eine Schale schüttete, eine
Drittelkelle kochenden Wassers darübergoß und das Ganze dann so lange rührte,
bis es schäumte. Es war eine Kunst, so erschien es Fisby, die erhebliche Übung
verlangte. Und wenn Fräulein
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