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Die Geister, die mich riefen: Deutschlands bekanntester Spukforscher erzählt (German Edition)

Die Geister, die mich riefen: Deutschlands bekanntester Spukforscher erzählt (German Edition)

Titel: Die Geister, die mich riefen: Deutschlands bekanntester Spukforscher erzählt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Wagner , Walter von Lucadou
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widerfahren.«
    »Wirklich?« Ihre Stimme klingt erst ungläubig, dann aber erleichtert.
    »Stört es Sie, wenn ich ein bisschen aushole?«, frage ich. »Leider kann ich Ihren Brief nicht mit einem Satz beantworten.«

6. Kapitel:
    Erscheinungen – Nur Kino im Kopf?
    »Aber nein«, sagt die Frau, und ich erzähle ihr von der Society for Psychical Research , der Gesellschaft für psychische Forschung in London. Sie wurde 1882 ins Leben gerufen. Viele Menschen beschäftigten sich in England damals mit Gedankenübertragung, Hypnose und Trancezuständen, sie diskutierten über die Existenz von Geisterhäusern oder darüber, was hinter Spukerscheinungen stecken könnte. Doch vor allem die Begeisterung der Londoner Gesellschaft für Séancen, bei denen die Menschen versuchten, Kontakt mit dem Jenseits aufzunehmen, weckte das Interesse der Wissenschaft. Das Interesse am Paranormalen war auf der britischen Insel weit verbreitet, und die Wissenschaftler wollten wissen: Was steckt dahinter?
    Sie organisierten die damals umfangreiche Repräsentativumfrage der Psychologie, den »Census of Hallucinations«. 17
    Die Umfrage dauerte mehrere Jahre. Menschen aus ganz England wurden befragt, ob sie jemals einen Spuk oder Erscheinungen erlebt oder ob sie schon einmal einen Wahrtraum gehabt hätten?
    Die Untersuchung war insofern bemerkenswert, als man zum Beispiel alle Berichte von sogenannten »spontanen Erscheinungen« bis dahin nicht ernst genommen hatte. Wer von Spukphänomenen berichtete, musste sich Lüge oder Täuschung oder eine psychische Erkrankung vorwerfen lassen. Erst mit dem »Census of Hallucinations« wurde klar, dass Erlebnisse, die man als paranormale Phänomene deuten kann, viel weiter verbreitet sind, als die Menschen bis dahin angenommen hatten. Man fand heraus, dass circa zehn Prozent der Bevölkerung schon einmal etwas erlebt hatten, das sie sich nicht erklären konnten.
    Viele Menschen, die von spontanen Erscheinungen berichteten, wurden bis dahin als schizophren diagnostiziert. Aber nur etwa ein Prozent der Bevölkerung leidet in der einen oder anderen Form an einer Schizophrenie. Schizophrenie ist also nicht geeignet, die Erlebnisse der zehn Prozent zu erklären. Und selbst wenn man andere psychische Erkrankungen miteinbezieht, bei denen Menschen von seltsamen Erlebnissen berichteten – man könnte auch damit die zehn Prozent nicht erklären. Es ist unmöglich, dass im England des ausgehenden 19. Jahrhunderts mehr als zehn Prozent der Bevölkerung unter psychischen Erkrankungen litten, die ihre Wahrnehmung derart beeinflussten. Das heißt im Klartext: Die Wissenschaftler verstanden mit dem »Census of Hallucinations « , dass paranormale Phänomene nicht nur von psychisch Kranken erlebt werden. So einfach es klingt: Es war ein großer wissenschaftlicher Fortschritt, herauszufinden, dass solche Erscheinungen nicht nur bei psychisch Erkrankten vorkommen.
    »Sie befinden sich demnach in guter Gesellschaft«, sage ich der Frau am anderen Ende der Leitung.
    Sie scheint nachzudenken. »Wie aber erklären Sie sich, dass bei uns die ganze Familie von den Erscheinungen berichtet?«
    Ich nicke. »Eine wichtige Frage. Man sah auch im ›Census of Hallucinations‹, dass Menschen unabhängig voneinander dieselbe Erscheinung hatten. Daraufhin diskutierten die Forscher, ob es so etwas wie kollektive Halluzinationen geben könnte, bei denen mehrere Leute die gleichen Bilder sehen. Oder lag vielleicht eine Erinnerungstäuschung vor, bei der die Menschen einander ihre Erlebnisse erzählen und im Erzählen fremde und eigene Erlebnisse mischen?«
    »Ich glaube nicht, dass das bei uns der Fall war …«, sagt sie zögernd.
    »Kennen Sie die Situation, kurz nachdem etwas Besonderes passiert ist?«, unterbreche ich sie sanft. »Ein Auffahrunfall vielleicht?«
    »Einmal hatte ich einen. Man kann kaum glauben, dass einem das gerade passiert ist.«
    »Man hat Mühe, das Ereignis zu rekonstruieren, nicht wahr? Den Zeugen eines Unfalls geht es oft so. Wenn sie einander den Ablauf des Ereignisses erzählen, geraten sie teilweise ins Schleudern.«
    »Weil man sich plötzlich nicht mehr genau erinnert, ob die Ampel noch grün war …«
    »Oder ob da nun eine Geschwindigkeitsbegrenzung angezeigt war oder nicht.«
    Polizisten kennen das Phänomen, wenn sie zwei Zeugen miteinander und nicht getrennt voneinander befragen. Der eine lauscht den Erinnerungen des anderen und umgekehrt. Sie nähern sich oft an in ihrer Beschreibung. Sie

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