Die Geisterseherin (German Edition)
Geister müssen auf die andere Seite hinübergehen, aber in deinem Fall klebt der Geist deiner Schwester seit vier Jahren an dir... das kann gefährlich werden. Das ist auch der einzige Grund, warum ich nachgeforscht habe, ehrlich!“
Yuki schüttelte den Kopf.
„Deine Geistergeschichte wieder, so ein Unsinn.“
„Ich lüge nie!“, warf Mikoto ein.
„Ach ja...? Das behauptest du, aber ist dem wirklich so? Was denkst du zum Beispiel von Steve?“
„Ich vermute, dass er dein Freund ist. Erst dachte ich, dass er dein Liebhaber sei, aber inzwischen tippe ich da eher auf eine Vertrauensperson. Ich persönlich mag ihn überhaupt nicht, er ist mir zu kühl... und außerdem scheint er eine seltsame Aura zu haben. Was ist das überhaupt für eine Frage?“
„Mein Liebhaber...?“
„Wie gesagt, ich sage immer, was ich denke. Sonst hätte ich dir eine plausible Geschichte aufgetischt, statt dir die Wahrheit zu erzählen. Warum sollte ich mir so eine Geschichte ausdenken, Yuki?“, versuchte Mikoto sich zu erklären.
„Tu, was du für richtig hältst. Es ist mir egal, ich glaube nicht an Geister und solche Sachen.“
„Dann frage ich sie einfach so, warum sie hierbleibt und nicht hinübergeht.“
Wenn Yuki ihr nicht glauben wollte, dann musste sie halt einfach zum nächsten Schritt gehen. Sie hoffte nur, dass Yuki die Geschichte bei sich behielt und in der Klasse nicht herum erzählte.
Gesagt, getan, Mikoto stellte die Frage Megumi, doch der Geist reagierte nicht.
„Und? Was sagt sie?“, fragte Yuki, anscheinend neugierig geworden. „Sie reagiert nicht.“
„Warum hab ich nichts anderes erwartet?“
Trotz allem klang er ein wenig enttäuscht.
„Nein, das ist normal. Wenn man einen Geist nicht versteht, dann ignoriert er einen meist. Ich muss selber herausfinden, warum sie noch hier ist, bei dir.“
Mikoto verschränkte die Arme und nickte sich selbst bestätigend zu. „Ich vermute, dass es etwas mit deinem „Crossdressing-Fetisch“ auf sich hat.“
„Wen nennst du hier Crossdresser!?“, rief Yuki empört.
Einige Leute blickten zu ihrem Tisch herüber, da Yuki auch noch aufgesprungen war und mit der Faust auf den Tisch geschlagen hatte, so dass die Gläser mit dem Eis beinahe umgefallen waren! Auch die Inhaberin, eine gertenschlankes und eigentlich noch sehr junge Frau, blickte argwöhnisch zu Yuki herüber.
„Hey, daran ist doch nichts Schlimmes. Jeder muss so leben, wie er es für richtig hält. Außerdem bist du doch einer, was regst du dich also so auf? Ich habe ja nicht Transvestit gesagt...“
„Ich kleide mich aber nicht so, weil ich meine Schwester sein will!“, meckerte Yuki sauer.
„Huh? Nein? Warum dann, ich hielt dich jetzt für einen normalen Crossdresser. Erzähl mir, wie du das siehst, ich bin ganz Ohr. Wenn ich dich verstehe, dann hilft es ja auch vielleicht den Geist zu verstehen.“
Yuki setzte sich wieder und biss sich auf die Lippe. Dann senkte er den Kopf und begann leise seine Geschichte zu erzählen.
Alles begann an jenem vierten Juli 2006, dem Datum, an dem auch Mikoto's Mutter starb. An jenem Tag kippte plötzlich Yuki's Schwester um und starb noch auf dem Weg zum Krankenhaus. Die Ärzte des örtlichen Klinikums konnten nichts mehr für sie tun, auch fand man nie eine Ursache für ihren Tod. Laut den Medizinern stellte ihr Körper einfach alle Tätigkeiten ein, von einer Sekunde auf die andere. Als hätte man einen Schalter umgelegt, ihn von „AN“ auf „AUS“ gestellt. Es war ein Rätsel und wurde einige Zeit lang sogar in der Fachpresse diskutiert, doch man fand nie eine Erklärung für ihren Tod.
Yuki's Mutter erlebte das ganze vor ihren eigenen Augen, sie sah wie ihre Tochter so plötzlich aus dem Leben gerissen wurde. Das war etwas, das die Mutter nicht verkraftete, was wohl auch kaum eine Mutter verkraften könnte. Nur stürzte der Tod ihrer Tochter sie nicht nur in eine Depression, sie wurde regelrecht verrückt, schrie nächtelang nach ihrer Tochter. Immer wieder behauptete sie, dass Megumi noch leben würde.
Gegen den Willen der Familie steckte man sie für zwei Jahre in ein Irrenhaus, doch irgendwann kamen die Ärzte dort zu dem Schluss, dass sie für immer so bleiben würde, es für ihren Zustand keine Medikation gab und ihr Mann konnte sie wieder zu sich nehmen, hoffte selbst damals noch, dass die Familie ihr irgendwie helfen konnte. Aber sie verlangte weiterhin ständig ihre Tochter, sie schimpfte, weil diese in ihren Augen jeden Tag so spät nach Hause kommen
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