Die Geisterseherin (German Edition)
hinter dem Horizont verschwunden war und der Himmel sich langsam von einem satten Rot hin zu dunkelblau färbte, waren noch immer ziemlich viele Leute in dem Café
„Sag mal, Yuki... Kennst du einen Ort, wo es um diese Zeit keine Menschen gibt?“
Yuki hatte die Frage scheinbar nicht erwartet, zumindest deutete Mikoto seinen Gesichtsausdruck so.
„Äh... keine Menschen...? Warte... ah, genau. Der Park ist Abends extrem ruhig, vor allem bei der jetzigen Hitze... da geht niemand freiwillig vor die Tür, nachdem Cafés und ähnliches geschlossen haben.“
„Gut, dann gehen wir jetzt dahin. Komm schon, Yuki...“
Der Park von Ichihara war eine große Grünfläche mitten in der Stadt, von einem kleinen Bach durchzogen und von Bäumen und Sträuchern eingegrenzt. Tagsüber sah man hier oft Studenten und wenn es nicht zu heiß war, dann konnte man Nachts hin und wieder Liebespaare entdecken... doch bei der Hitze blieben selbst diese lieber zu Hause. „Was passiert eigentlich mit meiner Mutter, wenn der Geist von Megumi diese Welt verlässt... ich will nicht, dass dies... irgendwelche Nebenwirkungen hat.“
Yuki schien sich inzwischen an den Gedanken, dass seine Schwester als Geist bei ihm war, gewöhnt zu haben, an sein eventuell baldiges Verschwinden jedoch nicht.
„Du glaubst mir also?“
„Naja... ich weiß nicht.“, antwortete Yuki wahrheitsgemäß. „Ich kann dir gar nicht sagen, was passiert. Vielleicht schrie deine Mutter ja nach ihr, weil sie spürte, dass sie noch immer als Geist anwesend war. Vielleicht ändert sich auch gar nichts für dich.“ „Hmm...“, ließ Yuki von sich hören und schien in Gedanken versunken zu sein. Er machte sich anscheinend ziemliche Sorgen um seine Mutter, schlussfolgerte Mikoto und blieb schließlich mitten im Part stehen.
„Hier ist es perfekt.“
Mikoto hielt mitten auf der Wiese, so dass sie einen guten Überblick über den Park hatte und setzte sich im Schneidersitz, dann deutete sie Yuki an, es ihr gleich zu tun.
Ein angenehmer Windhauch rauschte durch den Park, vertrieb für einen Moment die noch immer schwüle Hitze des Tages.
Yuki warf Mikoto einen fragenden Blick zu und sagte dann: „Und jetzt? Halten wie eine Seance?“
Aber Mikoto schüttelte den Kopf.
„Nein, so etwas ist doch nur für Scharlatane. Ein Geist ist entweder da oder nicht.“
Damit wendete sie sich dem Geist zu.
„Megumi?“
Wie auch zuvor, reagierte der Geist überhaupt nicht auf Mikoto. Er blickte Mikoto zwar an, aber das war nur, weil Yuki sie anschaute und der Geist Yuki imitierte.
„Klappt es nicht?“
Mikoto nahm das Halsband heraus, dass ihr Q'nqüra geschenkt hatte und legte es sich, unter Yuki's verdutztem Blick, um. Das metallene „Q“ lag schwer auf ihrer Brust und schien irgendwie... spürbar anders zu sein, als zuvor, wenn sie das Schmuckstück getragen hatte. Sie stellte sich ihr Schwert in ihrem Zimmer vor und flüsterte leise: „Erscheine...“
Sofort waberte vor ihr die Luft, flimmerte, als wäre sie kochend heiß... und fing schließlich an sich au kräuseln. Sie nahm erst Form und dann Farbe an, immer im stetigen Wandel, bis ihr Schwert vor ihr lag. Der ganze Vorgang dauerte nur wenige Sekunden, jedoch war er ein beeindruckendes Schauspiel.
„Was... aber... wie hast du das gemacht?“
Yuki war total verblüfft, kein Wunder, denn so etwas kannte er nicht. Für Yuki war die Welt normal, ohne überirdische Begebenheiten. Auch wenn man ihm erzählte, dass Geister existierten, konnte er sich dies nicht vorstellen und die Welt blieb für ihn gleich – er sah sie ja nicht. So wie jeder andere Mensch auf dieser Welt auch. Das Schwert jedoch... das sah sogar er. Es war ein Teil greifbares „Unglaubliches“. Ein Teil von etwas, dass nicht zu seiner Welt gehörte.
„Willkommen... in meiner Welt.“
Und damit musste er sich eingestehen, dass Mikoto ihn nicht angelogen hatte... oder sie zumindest eine verdammt gute Zauberin war.
„Funktioniert ganz einwandfrei... wurde auch mal Zeit, dass diese Frau nützlich wird...“, spöttelte Mikoto und legte eine Hand auf das jetzt warm glühende Schmuckstück.
Dann nahm sie das Schwert und zog es langsam aus der Scheide, ließ die makellose, wenn auch unscharfe Klinge im aufgehenden Mondlicht glitzern.
„Hahaha... du hast nicht vor, mich zu töten... oder?“, fragte Yuki nervös, als er das Schwert in seine Richtung zeigen sah.
„Man kann nicht töten, was bereits tot ist, Yuki.“
Mikoto hielt das Schwert jetzt mit beiden Händen fest
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