Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Titel: Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Funke
Vom Netzwerk:
einen echten Hasen geliefert hatte – und seine Klara wollte ihm unbedingt eine Hühnersuppe kredenzen. Hatte den Hasen nicht annehmen wollen. Wozu ein Hase? So ein Aufwand! Hühnersuppe ist der Gesundmacher! Hühnersuppe mache Tote lebendig, sie stärke die Körperabwehr – so ist ihr Spruch gewesen. Nichts gegen Hühnersuppe, sie gehört zu seinen Leibgerichten, aber ein Hase bleibt schließlich ein Hase. Der Hase wird sein Auferstehungsgericht! Emporessen, jawohl! Basta!
Mit Hasenbraten empor ins Reich der Gesunden!
Ha, ha, ha – welch lustiges Wortspiel … überhaupt, denkt er am Rande seines Bewusstseins, oh ja, wahrscheinlich sei die Emma trotz allem die bessere Köchin gewesen, wenn sie auch sonst eine Scheitana war … vielleicht hat die Klara den Hasenbraten nur deshalb verweigert, weil sie am Herd nicht wüsste wie sie … und es dem neuen Mädchen nicht überlassen wollte. May bricht den Gedanken ab. Ach was, nein, Blödsinn, denkt er. Wohinein man sich nur verrennt. Jedenfalls, der Sonntagshase ist am Ende vortrefflich gewesen. So mild und doch würzig, das Fleisch so zart, die Soße herrlich sahnig. Oh, er kann sich noch immer den Geschmack vorstellen … und May schluckt ein paar Mal, bewegt die Zunge. Schön, dass er sich durchgesetzt hat …
    Nun zu dem Brief an Fehsenfeld. Er macht einen neuen Versuch. Doch, kaum hat er die ersten Zeilen geschrieben, irren seine Gedanken schon wieder ab – es kommen kleine Schwälblein, als ob sie soeben seinen Händen entflogen, tragen sie die leichten, halbfertigen Gedanken wie winzige Papierschnipsel mit sich fort, zerstreuen sie, lassen sie in alle Winde verwehen. Ein paar sieht er noch wie weißen Flitter der Sonne zufliegen. Und bei all dem empfindet er keinen Ärger, keine Wut oder Trauer, nein, nein, es bleibt nur eine leise stille Wehmut zurück. Und es dauert gar nicht lange, da schwingt Heiterkeit, Lockerheit und sogar Freude herbei.
    Plötzlich, wie aus dem Nichts, muss er das Auftrittslied des Schwanenritters Lohengrin summen. Er weiß nicht warum, auf einmal stand ihm die Melodie im Kopf. Vielleicht, schießt es ihm durch den Kopf, weil heute Kaisers Geburtstag ist und weil ihm eingefallen ist, wie sich der Kaiser im letzten Jahr von einem Gefährt mit einem Schwan bei seinem Besuch in Hamburgs hat ziehen lassen, oder weil er, May, zusammen mit seiner Klara, erst am Montag den „Lohengrin“ in der Oper gehört hat. Ja, so wird es sein …
    Er ergreift den Federhalter und befördert ihn nun endgültig zurück in die hölzerne Schale neben dem Tintenfass, was heißen soll – nein, geschrieben wird jetzt nix mehr!
    Doch eben, als er sich an den schönen Montagabend in der Oper erinnern will, da er mit Klara und den Schuchs in der Loge gesessen hat, und ihn jetzt eine weiche Stimmung erfasst hat, gerade wie er fühlt, wie auch die anderen entschwundenen Feen, jene Gedanken, die ihm so leicht entflogen waren, zurückkehren wollten, ausgerechnet da klopft es an der Tür seines Arbeitszimmers; und obwohl es nur das Zimmermädchen ist, das, eine Entschuldigung nuschelnd, seinen Blondschopf hereinsteckt, kann er nicht verhindern, dass sofort Ärger in ihm hochsteigt. Tausendmal verdammt! Immer wird man gestört, immer wird wie mit kaltem Wasser auf den sich gerade erwärmenden Geist gesprüht. Unwirsch fragt er, was es denn gäbe.
    Oh, die gnädige Frau lasse fragen, sagt das Mädchen, und sie ist nun mit ihrem ganzen, ein wenig pummeligen, von einem weißen bebänderten Hauskittel verhüllten Körper ins Zimmer getreten, die Gnädige lässt fragen, ob die Kaiserfahne jetzt den ganzen Tag nach der Seite raushängen soll. Der Nachbar, Kommerzienrat Friedhelm Strunz, hätte schon herübergerufen, er fühle sich belästigt und die Fahne gehörte an die Straßenfront. Wenn wir sie nicht umhängten, würde er sie abreißen, die Zweige seines Zwetschgenbaumes, an dem noch ein paar Früchte hingen, würden touchiert. Er könne das nicht dulden, auf keinen Fall erlaube er solches Fahnenhängen, auch nicht von einem Manne wie seinem Nachbarn, dem berühmten Karl May. Außerdem: Die Kaiserliche Fahne gehöre grundsätzlich nicht zur Gartenseite, denn sie habe nicht Obstbäume und Stachelbeersträucher, sondern die Passanten auf der Straße zu grüßen!
    Mays Stimmung ist dahin. Er ballt die Fäuste. So ist das immer. Wegen irgendeiner Banalität wird er aus seiner Arbeit gerissen. Die Leute stören einen, ohne ein Gefühl dafür, dass unsereiner einen anderen

Weitere Kostenlose Bücher