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Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Titel: Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Funke
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von Opernbesuchern, langsam strebten sie dem Opernbau zu. Die Ungeduldigen und Eiligen öffneten im Laufen ihre Mäntel, wickelten Schals ab, verstauten die Mützen. Wie Müßiggänger standen Neugierige und Touristen herum. Bei einer größeren Gruppe von ihnen ein Stadtführer. Er hielt seine Ansprache. Atemluft stieg über ihm auf. Es war gegen achtzehn Uhr und ein kalter Winterabend. Feierlich im Halbrund wie stumme Zuschauer die Gaslaternen. Durch die großen Bogenfenster der Oper sandten die Foyers ihren Festglanz als leuchtende Vierecke auf das Pflaster des Platzes.
    Siebzehn Grad Fahrenheit hatte das Thermometer in Radebeul angezeigt, als man losgegangen war. Eine Affenkälte. Mit der Eisenbahn waren sie von der Weintraube nach Dresden-Neustadt gefahren. Nach dem Fahrplan fünfundzwanzig Minuten Fahrzeit. Zweiunddreißig sind es geworden. Dann ging es durch die engen, kleinen Gassen vom Neustädter Bahnhof zu Fuß über die im Umbau befindliche Augustusbrücke. Wegen der Baustelle konnte man nur auf einem schmalen Pfad laufen, überall Absperrungen und Bauzäune, Bauschutt und Ziegelstaub.
    Klara, die Füße in den neuen dunkelbraunen Stiefeletten, die Theaterschuhe unterm Arm, hatte eine Droschke nehmen wollen. Die neuen Schuhe! Weißt du, wie das drückt, Karl? Ach was, hatte er gesagt, da werden sie gleich eingelaufen, und von der Brücke haben wir einen einmaligen Blick auf die beleuchtete Altstadt. Ein Erlebnis. Einzig in ganz Europa. Das macht alle Fußbeschwerden der Welt wett, hatte er gesagt und sie aufgemuntert. Das darf man sich nicht entgehen lassen. Und mit der Droschke müssten wir außerdem einen Umweg über die Carola-Brücke nehmen. Die schöne Zeit und das liebe Geld, nein, nein …
    Komm nur, Herzle, reiß dich zam, du wirst sehen, es wird gehen.
    Und so sind sie über die Brücke gelaufen, er vornweg, mit dem kleinen Stöckchen im Takt der Schritte aufs Pflaster schlagend, Klara, immer noch leise murrend und ein wenig hinkend, hinterher.
    Im Foyer angekommen drängten sich May und Klara durch das Gewühl, hin zur Garderobe. Ein paar Mal wurde er aufgehalten. Man hatte ihn erkannt, er musste ein paar Worte wechseln. Er tat es freundlich, höflich, man wunderte sich, dass er nicht in die sächsische Mundart fiel, sondern ein ziemlich geziertes Hochdeutsch sprach. Ein oder zwei Mal musste er sogar auf Programmzettel und hingehaltene Tickets Autogramme schreiben, auch dies tat er freundlich, zuvorkommend. An der Garderobe wechselte Klara ihre Schuhe. Endlich! stöhnte sie, gab den Schuhanzieher, den ihr die Garderobiere ausgeliehen hatte, verlegen lächelnd zurück. May ließ sich von einem uniformierten Theaterangestellten aus dem Mantel helfen. Er trug einen schweren dunkelblauen Paletot mit Biberkragen. Mit einer Verbeugung nahm der Angestellte auch den runden Filzhut. Die Mays begaben sich nach links, den Gang entlang, folgten der Beschilderung „Zu den Logen“, sie zeigten ihre Billets vor. Ah, Herr Doktor May mit Gattin, sagte der Platzanweiser ölig und verbeugte sich, auch er war uniformiert, mit goldenen Tressen und Knöpfen, May sah auf den pomadisierten Scheitel, der Mann roch unangenehm nach einem billigen Haarwasser. In der Loge, es war die des Ehepaares Schuch, empfing die Mays dämmriges Halbdunkel. Die Samtvorhänge zum Saal waren noch halb zugezogen. May sah sich um, sie waren die Ersten. Die Ersten werden die Letzten sein, murmelte er und lachte in sich hinein. Man nahm Platz. Karl half seiner Frau, drückte ihren Sitz nieder, raffte ihr schweres Abendkleid. Ist es auch sauber geblieben? fragte er. Klara nickte stumm. Sie hatte es auf dem Weg hochgesteckt getragen. Auf dem Rückweg nehmen wir aber eine Droschke, sagte sie mit Nachdruck. Karl wusste, diesmal würde er zustimmen müssen. Klara öffnete ihre Handtasche, entnahm ein teures Opernglas, perlmuttgefasst, an einem Krokodillederriemen, setzte es an die Augen und begann den Zuschauerraum abzusuchen. Siehst du wen? fragte Karl. Das Parkett und auch die seitlichen Ränge begannen sich allmählich zu füllen. Klara schüttelte den Kopf. Dann stutzte sie. Doch! rief sie leise. Dort. Die Bernsteins! Ich denke, fuhr sie wie zu sich selbst fort, die wollten heute gar nicht kommen. Ich muss den Rudolph unbedingt noch etwas wegen der Miezi fragen. Wir müssen ihn abpassen. Mays Gesicht verfinsterte sich. Wo nur die Schuchs bleiben? murmelte er. Immer kommen die auf den letzten Drücker. Wie bei der Vorstellung. Der Dirigent

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