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Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Titel: Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Funke
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also müsse er es schließlich auch hören, was die unten zusammenmurksten. Karl May, schweigend und mit zusammengekniffenen Augen, nickte, wackelte dann mit dem Kopf, als sei er nicht ganz der Meinung des Kapellmeisters. Schuch, eifrig, übersah Mays Zweifel, missionarisch und feurigen Auges, flüsterte weiter: Wahrscheinlich sei der Bary schon nach einem halben Jahr ausgepumpt, seit er nämlich hier in Dresden wäre, liefen ihm die Weiber nach, und er, statt auszuweichen und sich rar zu machen, liefere sich ihnen aus, ginge zu jedem Stelldichein, jedem Empfang, jeder Soiree; sie schmeichelten ihm, schrieben zentnerweise Karten, machten ihm schmachtende Augen, und er gebe jeden Widerstand auf – eine gefährliche Sache für einen Tenor. Er werde sich übernehmen. Auch esse er zu viel. Seit er hier an der Elbe wäre, wüchse sein Umfang, schon hätten sie ihm zum zweiten Mal das Kostüm ändern müssen. Gut, die Wagnerrollen könnten nicht von Schneidergesellen gesungen werden, aber es gäbe Grenzen. Grenzen der Ästhetik, Grenzen des Optischen. Schließlich wären die Opernbesucher nicht blind. Er, Schuch, werde wohl ein ernstes Wort mit seinem Heldentenor reden müssen. Was aber würde erst, wenn der Bary, dieser Bazi, durch den ganzen Schlamassel seine Stimme verlöre? Was dann? Dann brauche er, der arme geplagte Schuch, wieder einen neuen – und als lyrischer wäre der Bary tatsächlich ganz gut, da hätte seine Frau schon recht.
    Ach, mein lieber May, verzeihen Sie einem sorgenvollen Kapellmeister, aber, sprach Schuch weiter, wenn er hier als Zuschauer sitze, gehe ihm seine ganze Oper noch mehr als sonst durch den Kopf. Nur wenn er unten am Pult stehe, bedrängten ihn die Sorgen weniger, da ginge es um Augenblickliches, um Hören und sofortiges Eingreifen … Dirigieren sei für ihn leichter als Zuschauen!
    Hören Sie, bester May, auch der Höpfl! Und Schuch zeigte nach unten auf die Bühne, ja, auch der Höpfl als Telramund habe heuer nicht seinen besten Tag, so wie die junge Eibenschütz auch net, welche die Ortrud singe. Ach, ach, es sei ein Kreuz am heutigen Abend. Fast bedaure er, ihn, seinen lieben Shatterhand, in diese unselige Vorstellung gebeten zu haben. Aber wie hätte er wissen können …
    Der erste Akt war zu Ende. Beifall brandete auf. Schuch winkte resigniert ab. Die verstehen nichts, die Deppen – und er meinte das Publikum. Aber das ist ja gut so, ha, ha.
    Eigentlich müsse er jetzt hinter die Bühne und seinem Bazi die Leviten lesen, aber er werde es nicht tun. Der Kutzschbach, sein kleiner Spezi, rüttle sie schon wach. Do fehlt si nix.
    Kommen Sie, mein lieber May, lassen Sie uns eine Zigarre rauchen. Und der Kapellmeister leitete seinen Gast, die Hand auf Mays Schulter, hinaus zum Logenfoyer, vorbei an seiner Frau und Klara, die sich flüsternd und ab und zu kichernd irgendwas erzählten und im Begriff waren, die Loge zu verlassen, um auf den roten Teppichen des Wandelganges, Arm in Arm hin- und herzugehen.
    Schuch zog aus einer Seitentasche seines Fracks ein goldenes Etui. Darf ich Ihnen von meinen …? Oh, ich danke, antwortete May, gerade wollte ich Ihnen von meinen … und er brachte ebenfalls ein Etui zum Vorschein, auch das, prachtvoll, in Silber mit einer Perlmutteinlage. Er klappte es auf, ganz so, als ob er beweisen wollte, dass es nicht leer wäre. Und es war tatsächlich mit vier Zigarren gefüllt, die, stattlich, wie rehbraune Geschosse, in einer Reihe steckten. Na, Herr Kapellmeister? fragte May. Kann ich mithalten?
    Die Männer lachten. Man nahm von Schuchs Zigarren. Von der Insel Kuba, erklärte der, zeigte Deckblatt und Banderole, ganz echte Importware. Die Herren, beide im schwarzen Frack, beide mit goldenen Kneifern und Uhrketten, beide mit leicht geröteten Gesichtern und weißem, würdigem Haar, setzten sich auf eine Ottomane, die gleich neben der geöffneten Logentür unter zwei gewundenen, zierlichen Messingwandleuchten stand. Sie zündeten sich wechselseitig die Zigarren an, rauchten ein paar Züge, schwiegen, genossen den würzigen Tabak, pafften, bliesen den Rauch nach oben.
    Auf einmal sagte Schuch: Wissen Sie, mein lieber May, was mir durch den Kopf ging, als ich jetzt Ihren „Surehand“ las? Karl May hob den Kopf, schaute den Kapellmeister mit seinen sehr blauen Augen an, lächelte erwartungsvoll. Was denn, lieber General?
    Schuch, wie er das Wort „General“ hörte, lächelte geschmeichelt, denn er war auf seinen Titel „Königlicher

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