Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)
und abgeschickt hast. Doch was ich las, ließ mich staunen und rasend werden. Du schriebst, gleich in der Anrede „Mein lieber prächtiger Allah-haddin mit den Wunderbriefen“, du batest ihn um das Manuskript seines neuen Werkes, dieses Babel-und-Bibel-Dramas, schriebst „… und nun mein Lieber & Verehrter, geben Sie mir endlich Babel & Bibel und spannen Sie mich nicht länger auf die Folter der Erwartung“. Nun suchte ich nach diesem Manuskript und fand es. Ich las darin …
Hellmut Jahn hat sich in Rage geredet, zornig glänzt sein Auge. Schneider, der ihm zuerst über den Scheitel gestrichen, hat sich aus den Händen des Freundes frei gemacht, ist während dessen feuriger Rede aufgestanden, hat sich seinen Malerkittel übergezogen, nun steht der Ältere vor dem noch immer am Boden Hockenden und Tränen rinnen ihm über die Wangen. Er unterbricht ihn. Was er nur rede, flüstert er und tätschelt dem Erregten Kopf und Hals, was er sich da zusammengereimt habe, dies sei nicht etwa Liebesgeflüster, oh nein, so schrieben sich zwei Männer, die erkannt hätten, dass sie im Geiste verbunden seien, zwei Geistesbrüder in Sachen der Kunst … mehr, Lieber, sei es nicht, allerdings auch nicht weniger.
Ha, stößt der Kniende hervor und blickt tränenenden Auges zum Freunde auf, ha, dass er nicht lache. Künstlerisch sei das? Oh nein, er wisse schon, so schrieben sich zwei Liebende, ängstlich bemüht, die Form noch geradeso zu wahren, denn der eine, ein alter Mann von über Sechzig, sei verheiratet und müsse um seinen Ruf besorgt sein, einen Ruf, der in diesen Tagen sowieso durch allerlei Skandale gefährdet wäre, und der andere, nun der andere, obzwar nicht verheiratet, lebe mit einem Jüngeren zusammen und wolle ebenfalls keinen Skandal, wolle die Beziehung nicht gefährden, denn sie sei ja so bequem, man habe immer gleich im Hause, wonach einem der Sinn stünde …
Der Maler macht eine abwehrende Geste. So sei es nicht, alles Unsinn …
Nein, Sascha, nein, ruft Jahn und springt auf, nein, ich weiß, was ich wissen wollte. Eine Künstlerfreundschaft also! Mach mich nicht dumm. Du musst mir nichts erklären, freilich bin ich erst Anfang zwanzig, aber indes nicht ohne Kenntnis des Lebens. Ich weiß, was ich weiß und was ich gelesen habe, und vielleicht war das nur die Spitze des Eisberges, vielleicht verbirgt sich darunter noch mehr. Wer weiß, was für Briefe es noch gibt, vernichtet oder gut versteckt, Briefe, die der eine vor der Ehefrau und der andere vor dem Freund geheim halten will … Eifersucht blitzt aus dem jungen geröteten Gesicht Jahns. Und er ist wunderschön anzusehen in seinem Zorn, der Junge, genau wie die Jünglinge in der Werkstatt des Praxiteles ausgesehen haben müssen. Schneider, der vor ihm steht, ist geblendet von diesem Anblick, er kann sich nicht abwenden und er kann nichts zu seiner Entlastung sagen. Sein Sinn ist verwirrt. Denn er liebt diesen Jungen, liebt ihn mehr, als er sich eingestehen will. Ach, stammelt er, wenn du mich nur so lieben würdest wie ich dich, nur halb so viel, Hellmut, dann würdest du einsehen, dass deine Vorwürfe haltlos sind …
Doch der Junge rast und ist in seiner Eifersucht nicht zu bremsen, sie macht ihn blind und taub. Er hört nicht, was Schneider sagt, er will gar nichts hören, er will nur das herausschreien, was seine Seele bedrängt. Ich verlange, schreit er, ich verlange eine Probe von dir!
Eine Probe? Was für eine Probe? Genügt es nicht, dass ich dich hier durchfüttere, dass ich dir alles gebe, was ich habe, dass ich mit meinem Namen für dich einstehe, selbst vor diesem Cerberus unter uns, diesem Staatsanwalt, der hier wohnt. Du weißt, wir leben auf einem Pulverfass. Jeden Tag, jede Stunde kann es eine Indiskretion geben und alles ist aus. Du weißt, wir tun Verbotenes, wir leben wie in wilder Ehe zusammen, und wenn meine Schwester, die gute Seele, uns nicht versorgte, stumm und ohne ein Wörtchen zu verraten, wir wären erledigt. Du weißt das alles, mein Lieber, du kennst den Preis, um den du hier eingezogen bist. Das alles tu ich nur für dich, du weißt das. Es ist mein Name, mein Risiko, denn ich bin der Professor an der Großherzoglichen Kunsthochschule, mein bürgerliches Schild schützt uns. Bedenke das, bevor du alles zerstörst. Ich bitte dich, Hellmut, bitte …
Der Junge hat einen Moment innegehalten, hat mit gesenktem Kopf zugehört. Doch jetzt, da eine Pause eingetreten ist und Schneider in Erwartung einer Antwort schweigt,
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