Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)
außerdem ließ mein gönnerhafter Mann dem jungen Paar 100 Mark für die Hochzeit durch den Verleger Fehsenfeld überweisen. Was ich nicht wusste und erst ein halbes Jahr später „hintenrum“ erfuhr, war, dass Karl im Stillen den grandiosen Plan verfolgt hatte, diesen Sebastian Krämer, der im Fehsenfeld-Verlag so eine Art Faktotum war und neuerdings dort sogar als Prokurist arbeitet, seinem ahnungslosen Verleger Fehsenfeld auszuspannen, um dann zusammen mit Fehsenfelds Cousin Felix Krais, dem Drucker, den er seinem Verleger ebenfalls abwerben wollte, eine eigene Verlegerei zu betreiben – mit diesen beiden also, die ein gutes Gespann abgegeben hätten, wollte er einen
eigenen
Verlag gründen. Einen eigenen Verlag – mein Karl! Einen Karl-May-Verlag, mit Sitz in Radebeul.
Stellt euch das mal vor, ihr Lieben! Eine Wahnsinnsidee.
Ich erfuhr es, wie ich sagte, erst später, und da war Karls Idee schon, wie so vieles bei ihm, auf- und davongeflogen. 97 ist das gewesen, glaube ich. Gott sei Dank ist nichts daraus geworden, denn mein Karl wäre mit diesem Projekt grandios gescheitert… und bis heute hab ich’s dem Friedrich, diesem lieben Kerl, nicht verraten, auch nicht der Paula, aber vielleicht tu ich’s noch. Was rollt ihr die Augen, ihr Lieben? Freilich bin ich mit den Fehsenfelds per Du, mit dem Friedrich sogar noch vor der Paula. Ja, wer weiß, vielleicht verrat ich’s ihnen noch, den Fehsenfelds, was mein Karl damals vorgehabt hat … nur damit sie wissen, was ihr großer Autor für ein hinterlistiger Schwede ist.
Aber, um zum Geld zurückzukehren: Dieser Umweg über den Verleger, solche Transaktionen wie mit dem kleinen Krämer waren, bitte denkt das nicht, beileibe keine Ausnahme. Wie ich bald von Friedrich erfuhr, denn er mochte mich wirklich gut leiden, er bombardierte mich sogar bei jeder Gelegenheit mit Komplimenten, schrieb mir lange Briefe, auch Karten, die Karl manchmal abfing und mir verheimlichte, wie mir dieser liebe Mensch also kurz darauf schrieb, bitte er mich um Vergebung, wenn er im Auftrag seines Autors an diesen und jenen, eben auch an den „Geheimkomiker“, Geld überweise, aber Karl habe sich bei ihm beklagt, dass ich, wenn er arme Verwandte und sonstige Bedürftige unterstütze, mit ihm „zanke“ (wörtlich!) und er deshalb den Umweg über ihn, seinen Verleger Fehsenfeld, wählen müsse. Überhaupt müsse er, Karl, so Fehsenfeld, häufig Einnahmen vor mir geheim halten, und er habe so manches Mal Ausgaben, für die ich kein Verständnis hätte, zum Beispiel für teure Bücher, welche er dann im Preis um die Hälfte geringer angeben müsse, und anderes, Kunstsachen und Kuriosa. Deshalb habe mein Mann ihn, seinen Verleger, um Diskretion und um diese oder jene Gefälligkeit durch Tätigung von solchen Überweisungen gebeten. Aber, so habe Karl ihm, dem Fehsenfeld, vorgeworfen, sein Verleger sei alles andere als verschwiegen. Andauernd kollaboriere er mit mir. So habe er an mich einen Brief geschrieben, in dem er sein ganzes Soll und Haben, Karl betreffend, offenbart habe, eine Ungeheuerlichkeit, die ihn, Karl, in meine Hände liefere und zu meinem Sklaven mache …
Doch was soll ich euch sagen, rief Emma bestürzt und rang die Hände, gerade dieser Brief war gar nicht in meine Hände gekommen, das Hausmädchen, diese dumme Pute, hat ihn Karl ausgeliefert. Der lief dann tagelang mit bösem Gesicht umher und es gab Zank und Streit, an dem ich völlig unschuldig war. Wie gesagt, die wahren Ursachen erfuhr ich erst Wochen später, denn diesmal konnte ich anlässlich eines Besuches der Fehsenfelds bei uns in Radebeul eine Weile mit dem Verleger persönlich und insgeheim sprechen. Es war nach dem Mittag, wir gingen im Garten auf und ab, Karl hatte sich zurückgezogen, er hätte Dringendes zu arbeiten, und Paula, Fehsenfelds Frau, hatte sich hingelegt. Halblaut und mit Verschwörermiene erklärte mir Friedrich alles und bat um Entschuldigung, er wäre gezwungen gewesen und es täte ihm leid, an der Frau des Hauses sozusagen vorbei, Finanzfragen, die seinen Autor beträfen, zu entscheiden. Bei ihm zu Hause, erklärte er und senkte die Stimme noch weiter, gäbe es keine Entscheidung, von der nicht auch seine Frau wüsste; dies solle er sich einmal erlauben, lachte er, irgendetwas hinter dem Rücken von Paula zu unternehmen, und vielleicht, liebste Emma, sagte er zu mir und blieb unter einem Apfelbaum stehen, vielleicht, weil es bei ihm zu Hause in Freiburg das Normalste sei, habe er
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