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Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Titel: Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Funke
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sauber ausgekehrt, und da habe ich die Briefe liegen sehen. Im ersten Moment dachte ich, oh wie schön, da hast du gleich Papier zum Anbrennen, aber dann hab ich gedacht, wenn es nun was Wichtiges ist, was in den Briefen steckt. Also hab ich die Umschläge herausgenommen. Aber ich habe nicht reingeschaut. Wirklich nicht. Auf Ehre, gnädige Frau May. Glauben Sie mir.
    Schon gut, Therese, sagte ich. Geh nur jetzt wieder an deine Arbeit. Schnell huschte sie hinaus. Ich wette, dachte ich damals, selbstverständlich hat das Mensch in die Briefe geschaut. Das muss doch ein normaler Mensch merken, dass es sich um keine gewöhnlichen Briefe handelt, dass da Geld drinnen ist. Vielleicht hat sie auch einen Schein an sich genommen, ich weiß es nicht, kann es nicht beweisen. Vielleicht hätte ich sie sofort durchsuchen sollen, hätte sie sich auf der Stelle bis aufs Hemd ausziehen lassen. Aber ich bin zu den Angestellten immer nachsichtig gewesen.
    Als mein Karl dann nach Hause kam, hab ich ihn beim Abendessen ganz harmlos nach dem „Schatz im Silbersee“ gefragt, er staunte, wieso ich auf einmal Interesse an diesem Roman hätte und er wollte, bereitwillig und geschwätzig wie er immer ist, wenn es um seine Bücher geht, schon anfangen zu erzählen, da hab ich ihn triumphierend lächelnd unterbrochen und gefragt, ob man auch sagen könne, es gäbe einen „Schatz im Ofenloch“. Ganz blass ist er geworden, mein Karl, zu Boden hat er geblickt, der Ertappte. Dann hab ich ihm die Umschläge gezeigt, das Geld herausgenommen und auf dem Tisch vorgezählt. Es waren genau Fünftausenddreihundertzweiundsechzig Mark, sogar Kleingeld und Münzen haben in den Umschlägen gelegen …
    Emma macht eine Pause, sie kostet auch jetzt noch, fast zehn Jahre danach, ihren Triumph aus, kommt sich vor ihren Freundinnen schlau und listig vor. Die schweigen eine Zeit, doch dann schwingt ihre Rachsucht hoch, diese entschlossene Verschworenheit, die den meisten Frauen, wenn sie kampfbereit sind, zu eigen ist. Oh, sie werden es dem Mann, dem Feind ihrer geliebten Emma, heimzahlen, sie werden die Freundin aufstacheln, ihr den Rücken stärken, um zum vernichtenden Schlag gegen diesen gemeinen Verderber und seine Komplizin, die Plöhn, auszuholen.
    Die Kaufmannswitwe sagt: Freilich, Emma, das hast du damals ganz gut gemacht, aber was hat es dir bei deiner Scheidung genützt? Nichts, im Gegenteil, dich haben sie als diejenige hingestellt, welche das Geld veruntreut hat. Du warst die Schwindlerin, nicht sie. Und deshalb wirst du dies alles, liebste Emma, was du uns heute gesagt hast, vortragen, wenn es um die Anfechtung der Scheidungsklage geht. Denn es zeigt doch ganz klar, wie dein Mann dich behandelt, wie er dich hintergangen, entmündigt und gedemütigt hat … du hast das Geld zusammenhalten wollen. Für Notzeiten, nicht für dich, wolltest du es verwenden, sondern wenn dein Karl einmal wieder in Schwierigkeiten geraten würde, denn du kanntest ihn ja und sein Auf und Ab. Er aber hat den Krösus gespielt, hat sich Liebkind gemacht bei irgendwelchen Subjekten, bei sogenannten armen Verwandten, bei Gestrandeten und Gescheiterten, bei „Ehemaligen“, wie er selber einer gewesen ist, immer hat er sich hingezogen gefühlt zum Abgründigen und Verfemten – ja und immer wollte er auch ein wenig „Spielgeld“ bei sich tragen, wie ein Zuchthäusler im Kassiber – ein „Hallodri“ sag ich dir, das ist dein Karl, ein Leben lang bis heute …
    Emma, wieder unsicherer, hat den Kopf gesenkt, ach, jammert sie mit leiser Stimme, sie wisse nicht, ob sie das alles durchstehen werde. Wenn sie ihrem Karl vor Gericht gegenübertreten müsse, brächte sie kein Wort heraus, das wisse sie schon jetzt, ihr würden die Beine schwach, sie schwitze und ehe der Richter irgendetwas fragen könne, sei sie in Ohnmacht gefallen und nachher habe sie alles, was sie sagen wollte, wieder vergessen.
    Ach, meine Liebe, entgegnet die Sängerin, warum so verzagt? Deshalb besorgen wir dir doch den Anwalt, unseren famosen Viktor Neumann. Ein feiner Kerl, wirklich. Und ganz und gar brav. Der erledigt alles Schriftliche und agiert vor Gericht – du brauchst sicher, außer deinem Namen, wann du geboren bist und wo du wohnst, kein einziges Wörtchen zu sagen.
    Gleich morgen such ich den Dr. Neumann auf, werd mit ihm reden. Er wird dich dann besuchen und alles wird haarklein beredet. Es wird aufgeschrieben und kann nicht vergessen werden. Du wirst ihn mögen, glaub mir, ein lieber,

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