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Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)

Titel: Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Funke
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Damen lächeln, grüßen. Er grüßt zurück. Auf einmal schießt dem Anwalt in den Kopf, dass er ja noch unrasiert, nicht angezogen, in Hauspantoffeln und nackten Füßen sei. Ein Anblick, den ein Anwalt seinen Klienten niemals zumuten darf. Was soll er tun? Für den Moment greift Panik nach ihm. Und ausgerechnet jetzt fehlt seine Haushälterin, die Gebauer. Es ist zum Auswachsen, diese Person …
    Gottseidank fällt ihm etwas ein. Er zieht seine Taschenuhr, die er immer bei sich trägt.
    Die Damen seien zu früh! sagt er mit vorwurfsvollem Unterton. Es fehlten noch sieben Minuten zur vereinbarten Zeit. Unpünktlich sein, hieße auch zu früh zu kommen! Er redet sich heraus, weshalb er noch nicht, verneigt sich, zeigt entschuldigend auf Hausmantel und Pantoffeln. Bitte verzeihen Sie mir. Meine Haushälterin …
    Dennoch bittet er die beiden Damen herein, führt sie ins Besucherzimmer, macht noch drei Verneigungen. In zehn Minuten stünde er ihnen zur Verfügung. Spätestens in zehn Minuten. Meine Damen … wieder eine Verneigung. Er schließt die Tür, lässt sie allein.
    Das Besucherzimmer des Anwalts war ein großer, ziemlich hoher und spärlich möblierter Raum, dem Wartezimmer eines Kassenarztes ähnlich. Nur roch es hier nicht nach Karbol, sondern ungelüftet und nach Staub. Eine Sesselgruppe, davor ein rundes Tischchen mit älteren Zeitungen, links daneben drei Polsterstühle, die Bespannung abgesessen und an den Rändern eingerissen, eine niedrige Kommode, antik, indes von stumpfem, ungepflegtem Aussehen, nicht poliert, darauf eine Vase mit Herbstastern, halb vertrocknet, daneben noch mehr Zeitungen, Gerichtsjournale, ein vergessener Quittungsblock, gegenüber ein Kleiderschrank mit Spiegelteil, der aussah, als wäre er dem Schlafzimmer eines inzwischen verstorbenen Ehepaares entnommen, der Fußboden, belegt mit Parkett, aber auch das stumpf, offenbar seit Langem nicht mehr geölt, am Fenster und bei der Tür abgetreten, ein paar der oberen Holzfliesen lose, die beim Darüber-Laufen knirschten und klapperten. Man sah dem Zimmer an, das sein Besitzer sich wenig darum kümmerte, dass es ihm unwichtig schien, welchen Eindruck er damit machte, dass die Bediensteten überfordert waren, es auf dem neuesten, blitzblanken Stand zu halten.
    Die beiden Damen legen ihre Überwürfe ab, lüften die Hüte, stellen die Schirme in einen bereitstehenden Ständer, setzen sich auf die Polsterstühle. Alles geschieht schweigend. Sie sehen sich um. Emma nur kurz, sie scheint sich hier auszukennen. Klara May fühlt sich sofort unbehaglich. Das Zimmer, der Anwalt, die Atmosphäre. Sie sieht Emma von der Seite an, abschätzig, belustigt, dies wäre also der begnadete Anwalt und seine Kanzlei, mit dem sie Karl zu Leibe rücken will, mit dem jetzt die Vereinbarung für die jährliche Rente abgeschlossen werden soll. Sie vergleicht mit der Kanzlei ihres Freundes Bernstein in Dresden, schüttelt leise den Kopf. Was hast du Mausel? fragt Emma, gefällt es dir hier nicht? Ich weiß nicht, Miezi, antwortet Klara, es sieht so, so … so lieblos aus. Ach was, du wirst sehen, sagt Emma, der Neumann ist ein ganz passabler Bursche, und ich habe, wie ich dir schon in der Wohnung, als du mich abholtest, gesagt habe, durch meine gestrige Weigerung zur Zeugenaussage, den Weg für unser heutiges Abkommen sehr erleichtert, glaub mir, er wird sich am Ende gefreut haben, dass ich das gemacht habe, ich wette das, Mausel. Freilich, vor Gericht hat er natürlich erst einen Flunsch gezogen, aber sicher nur, weil er seine Anwaltsehre befleckt glaubte, weil ich ihn nicht vorher informiert hatte, er ist eitel wie alle Anwälte, aber, glaub mir, Mausel, die Idee ist mir erst ganz kurz vorher gekommen. Ich war richtig ratlos, wusste nicht, was ich machen sollte. Noch auf der Straße vor dem Amtsgericht hab ich das nicht gewusst. Klara schweigt. Sie denkt, es ist ein Kreuz mit Emma, die hat einfach kein Gefühl für Anstand und Geradlinigkeit, für Berechenbarkeit und Ehre. Was ihr in den Kopf kommt, das macht sie, ohne die Folgen zu bedenken, ohne jeden Skrupel, und sie zimmert sich dann ihre eigene Logik zusammen, mag alles noch so hanebüchen sein, für sie ist es richtig so; freilich durch ihre Zeugenverweigerung bricht jetzt die Anzeige des Kaninchens (Frau Haeußler) zusammen, da ist ein einziges Mal was Gutes herausgekommen, aber, wettet Klara bei sich, sie hat das nur angestellt, um sich die Zahlungen von Karl zu sichern, um todsicher an das Geld zu

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