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Die Gejagte

Die Gejagte

Titel: Die Gejagte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa J. Smith
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Er ignorierte einfach ihren Protest, der ohnehin schwächer wurde. Tom schaffte es immer, dass Jenny sich besser fühlte; in seiner Nähe hatten Sorgen kaum eine Chance. All ihre Ängste, alle Schatten und pulsierenden Schachteln schienen plötzlich in weite Ferne gerückt und kamen ihr kindisch vor.
    Trotzdem verspürte sie ein prickelndes Unbehagen, als
er ihr die Schachtel abnahm und fragte: »Was ist das? Für mich?«
    »Es ist ein Spiel«, sagte Michael, »um das Jenny ein großes Geheimnis macht. Anscheinend kann sie es gar nicht mehr loslassen.«
    »Ich kann verstehen, warum«, sagte Tom, während er die Schachtel schüttelte und das Klappern darin hörte. Jenny sah ihn scharf an. Er schien nicht zu witzeln oder zumindest nicht mehr als gewöhnlich – aber wie konnte er das über diese unbeschriebene weiße Schachtel sagen? Warum sollte sie Tom, der sie jetzt eifrig in den Händen drehte, so sehr faszinieren?
    Die Schachtel hat was an sich, dachte Jenny und öffnete den Mund, um etwas zu sagen. Aber genau in dem Moment kam ihre Mutter aus dem hinteren Teil des Hauses; sie steckte sich gerade einen Ohrring an und war in eine Parfümwolke gehüllt. Jenny klappte den Mund wieder zu.
    Mrs Thornton war in ihrer Jugend ebenso blond gewesen wie Jenny, aber im Laufe der Jahre hatte ihr Haar sich zu einem goldenen Braun verdunkelt – wie im Schatten schimmernder Honig. Sie lächelte alle an und gratulierte Tom zum Geburtstag. »Also, dann«, sagte sie zu Jenny. »Joey ist bei den Stensons gut untergebracht, wir werden am Sonntag spät zurückkommen und für dich ist alles bereit.«
    Hinter ihr tauchte Jennys Vater mit einem kleinen Koffer auf, und sie fügte ernst hinzu: »Du liebe Güte, ich weiß jetzt schon, dass du irgendetwas kaputt machen wirst. Aber pass bloß auf, dass es nicht die Vase von R. C. Gorman ist,
okay? Sie hat fünfzehnhundert Dollar gekostet und dein Vater hängt sehr an ihr. Abgesehen davon räum bitte auf, wenn etwas kaputtgeht, und sieh zu, dass das Dach auf dem Haus bleibt.«
    »Wenn’s runterkommt, machen wir es wieder fest«, versprach Jenny und verpasste der glatten, nach Shalimar duftenden Wange ihrer Mutter einen Kuss.
    »Alleskleber ist in der Küchenschublade«, murmelte Jennys Vater ihr ins Ohr, als sie ihn ebenfalls küsste. »Aber pass wirklich auf die Vase von R. C. Gorman auf. Deine Mutter würde sterben.«
    »Wir werden nicht in ihre Nähe kommen«, versicherte Jenny ihm.
    »Und – nein  …« Ihr Vater machte eine vage Geste mit der Hand und schenkte Tom einen Blick, von dem Jenny dachte, dass dies genau die Art von Blick war, von dem die Leute sagten, jemand sehe einen schief an. Das hatte er sich in letzter Zeit angewöhnt.
    »Daddy!«
    »Du weißt, was ich meine. Nur die Mädchen bleiben über Nacht, okay?«
    »Natürlich.«
    »Okay.« Ihr Vater schob sich sein metallenes Brillengestell nach oben auf die Nase, drückte die Schultern durch und sah ihre Mutter an. Beide schauten sich ein letztes Mal im Wohnzimmer um – als wollten sie sich alles einprägen –, dann machten sie wie schicksalsergebene Soldaten kehrt und marschierten zur Tür hinaus.

    »Sie haben nicht gerade viel Vertrauen in uns, was?«, fragte Michael, der ihnen nachsah.
    »Es ist das erste Mal, dass ich eine Party feiere, während sie übers Wochenende weg sind«, erklärte Jenny. »Jedenfalls die erste Party, von der sie wissen«, fügte sie nachdenklich hinzu.
    Als sie sich umdrehte, hatte Tom die Schachtel geöffnet.
    »Oh …«, murmelte Jenny. Und das war alles, was sie herausbrachte. Tom nahm dicke, glänzende Pappbögen aus der Schachtel, die mit solch intensiven Farben bedruckt waren, dass sie förmlich leuchteten. Jenny erkannte Türen und Fenster, eine Veranda, ein Türmchen. Dachschindeln.
    »Es ist ein Puppenhaus«, sagte Summer. »Nein, ich meine eins von diesen Papierdingern, die man sonst in diesen großen, flachen Büchern zum Ausschneiden bekommt. Ein Papierhaus.«
    Kein Spiel, dachte Jenny. Und nicht gefährlich. Nur etwas für Kinder. Sie spürte eine Woge der Erleichterung, und als Audrey aus der Küche rief, dass das Essen fertig sei, wandelte sie beinah träumerisch vor Glück durchs Haus.
    Tom war ziemlich überrascht und beeindruckt von dem chinesischen Abendessen und der Tatsache, dass Audrey dafür verantwortlich war.
    »Du kannst kochen!«
    »Natürlich kann ich kochen. Wie kommt es, dass alle denken, toll aussehen sei das Einzige, was ich könnte?« Sie sah ihn unter

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