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Die Gejagte

Die Gejagte

Titel: Die Gejagte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa J. Smith
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dauerte etwas, bis Jenny den Sinn ihrer Worte verstand. »Was ist los, Jenny?«
    Was konnte Jenny schon antworten?
    Ich kenne diesen Jungen. Ich habe ihn in dem Laden gesehen. Er ist eine reale Person, keine erfundene Figur in diesem Spiel. Also …
    Also was? Das war es, was sie alle Jenny fragen würden. Welchen Unterschied machte es? Das Spiel war offensichtlich
von jemandem erfunden worden, der den Jungen kannte, und der Junge hatte für den Schattenmann Modell gestanden. Das würde auch erklären, warum die Schachtel völlig unbedruckt war: Vielleicht war dieses Spiel im übrigen Handel noch gar nicht zu kaufen.
    Oder vielleicht war der Junge verrückt, fixiert auf dieses besondere Spiel, hatte sich das Haar gebleicht und sich so angezogen, dass er wie die Figur aus dem Spiel aussah. Wie bei Dungeons and Dragons, schoss es Jenny plötzlich durch den Kopf – es sollte ja Fans geben, die ihre Begeisterung manchmal ein wenig übertrieben. Das war die Antwort.
    Zumindest war es die Antwort, die sie heute Abend bekäme. Von Tom vielleicht; Jenny konnte schließlich sehen, wie gern er spielen wollte, und sobald Tom sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, war er nicht mehr davon abzubringen. Vielleicht auch von Dee, weil ihr jegliche Gefahr einen Kick gab. Und von Zach, weil es bei dem Spiel auch um Kunst ging. Oder von Summer, weil sie es »süß« fand. Sie alle wollten spielen.
    Und Jenny wollte eine gute Gastgeberin sein. Eine gute Gastgeberin wurde nicht hysterisch und verdarb eine Party, weil ihr Verstand umnebelt war.
    Jenny zwang sich zu einem Lächeln.
    »Nichts«, antwortete sie und ließ Audreys Handgelenk los. »Tut mir leid. Ich dachte, ich hätte dieses Bild erkannt. Dumm, hm?«
    »Hast du wieder von diesem Hustensirup getrunken?«, erkundigte sich Michael von der anderen Seite des Tisches.

    »Geht’s dir gut, Thorny? Wirklich?«, fragte Tom ernst. Seine grün gesprenkelten Augen blickten forschend in ihre, und Jenny spürte, dass ihr Lächeln selbstsicherer wurde. Sie nickte. »Alles bestens«, erwiderte sie entschieden.
    Tom stand auf und dimmte das Licht der Wohnzimmerleiste.
    »Hey«, sagte Michael.
    »Es muss dunkel sein«, erklärte Dee. »Für den nächsten Teil. Die Verlesung des Eides.« Sie warf ihm einen bedeutungsvollen Blick zu und das Weiß in ihren Augen schimmerte wie rauchige Perlen.
    »Welchen Eid?«, fragte Michael argwöhnisch.
    »Den Eid des Spiels«, sagte Tom. Seine Stimme klang geheimnisvoll. »Hier steht, dass wir alle schwören müssen, dieses Spiel freiwillig zu spielen und dass das Spiel real ist.« Tom drehte den Deckel der Schachtel so, dass alle ihn sehen konnten. Auf der Innenseite prangte über den gedruckten Spielregeln ein großes Symbol. Wie ein eckiges, umgekehrtes U, dessen ungleichmäßig lange Hörner nach unten zeigten. Es war tief in den Deckel eingeprägt und – soweit Jenny das in dem schwachen Licht erkennen konnte – rostrot gefärbt.
    Ich werde diese Party nicht verderben, ich werde diese Party nicht verderben, dachte Jenny. Ich werde es nicht tun.
    Tom las die Regeln weiter vor: »›Es gibt eine Schattenwelt, wie unsere eigene und doch anders; sie existiert parallel
zu unserer, berührt diese aber niemals. Manche nennen sie die Welt der Träume, und doch ist sie so real wie alles andere‹ … Und dann steht hier noch, dass es gefährlich sein kann, die Schattenwelt zu betreten, dass man also auf eigene Gefahr spielt.« Er grinste die anderen an. »Es steht sogar da, dass das Spiel zu einer Gefahr für das eigene Leben werden kann. Man muss schwören, dass man das verstanden hat.«
    »Ich weiß nicht, ob mir das wirklich noch gefällt«, murmelte Summer.
    »Komm schon«, sagte Dee. »Lebe gefährlich. Lass es einfach geschehen.«
    »Nun …« Summer nahm die Sache ernst. Sie schob sich ihre weichen, hellen Locken aus der Stirn und zog die Brauen zusammen. »Wird es hier drin etwa warm?«
    »Oh, schwör schon«, verlangte Michael. »Lass es uns hinter uns bringen. Ich schwöre, dass ich verstanden habe, dass mich dieses Spiel vielleicht tötet, bevor ich alt genug bin, einen mies bezahlten Job zu ergattern wie mein Bruder Dave.«
    »Jetzt du.« Dee streckte ein in schwarzen Leggins steckendes Bein aus, um Zachary anzustupsen. »Schwöre.«
    »Ich schwöre«, sagte Zach in gelangweiltem Ton. Der Ausdruck auf seinem schmalen Gesicht war nicht zu deuten, seine grauen Augen waren so kühl wie immer.
    Summer kapitulierte seufzend. »Also schön, ich

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