Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Gejagte

Die Gejagte

Titel: Die Gejagte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa J. Smith
Vom Netzwerk:
Lederbeuteln zum Wasserholen an den Fluss gingen; aus einer Zeit, als Panther in der Dunkelheit um Lehmhütten strichen; aus einer Zeit, bevor es elektrisches Licht und Kerzen gab, als die Dunkelheit mit steinernen Lampen abgewehrt wurde. Als die Dunkelheit die größte Gefahr von allen war.
    Jenny betrachtete den Jungen, der neben ihr stand und dessen Haar wie Mondlicht glänzte. Wenn die Dunkelheit ein Gesicht und eine Stimme angenommen hätte, wenn die Mächte der Nacht sich zusammengetan und zu einem menschlichen Wesen vereint hätten – so wäre er das Ergebnis gewesen.
    »Wer bist du?«, flüsterte Jenny.

    »Weißt du das immer noch nicht?«
    Jenny schüttelte den Kopf.
    »Vergiss es. Du wirst es erfahren, noch bevor das Spiel vorüber ist.«
    Jenny versuchte, ihre innere Ruhe wiederzufinden. »Hör mal – lass uns einfach … Du warst in dem Spieleladen.«
    »Ich habe auf dich gewartet.«
    »Also war das alles – eingefädelt? Aber warum ich? Warum tust du mir das an?« Jenny spürte, dass sie langsam wieder hysterisch wurde.
    Dann sagte er es. Mit Augen wie der Himmel an einem Novembermorgen. Er sprach ernst und ein wenig förmlich, mit einem schiefen Lächeln im Mundwinkel.
    »Weil«, erklärte er, »ich mich in dich verliebt habe.«
    Jenny starrte ihn an.
    »Überrascht? Das solltest du aber nicht sein. Ich hab dich schon vor langer Zeit zum ersten Mal gesehen – du warst so ein hübsches kleines Mädchen. Als hätte immer nur die Sonne für dich geschienen. Kennst du die Geschichte des Hades?«
    »Was?« Dieser sprunghafte Themenwechsel gefiel ihr nicht.
    »Hades«, wiederholte er ermutigend, als ob er ihr dabei helfen wollte, für eine Abschlussprüfung zu pauken. »Der griechische Gott der Unterwelt. Der Herrscher dort. Er hat in der Welt der Schatten gelebt – und er war einsam. Eines Tages schaute er sich dann oben auf der Erde um und sah Persephone. Ich glaube, sie pflückte Wildblumen. Sie
lachte. Er verliebte sich auf der Stelle in sie. Er wollte sie zu seiner Königin machen, aber er wusste ganz genau, dass sie nicht freiwillig mit ihm gehen würde. Also …«
    »Also?«, stieß Jenny hervor.
    »Also hat er seine schwarzen Pferde vor seinen Streitwagen gespannt. Die Erde barst vor Persephones Füßen. Ihre Wildblumen fielen zu Boden.«
    »Das ist nur eine Geschichte«, sagte Jenny so ruhig wie möglich. »Ein Mythos. Es gibt in Wirklichkeit keine Person wie Hades.«
    »Bist du dir da ganz sicher?« Nach einem Moment des Schweigens fuhr Julian fort: »Wie dem auch sei, du hast mehr Glück als Persephone, Jenny. Du hast die Chance zu entkommen. Ich könnte mir dich auch einfach nehmen, aber ich gebe dir eine Chance.« Er sah Jenny an, mit Augen wie flüssige Saphire; wilde, exotische Augen. Sie konnte nichts sagen, konnte nicht den Blick abwenden.
    »Wer bist du?«, flüsterte sie schließlich erneut.
    »Wer soll ich denn für dich sein? Ich liebe dich, Jenny – ich bin aus der Welt der Schatten gekommen, um dich zu holen. Ich könnte alles sein, was du willst, dir alles geben, was dir gefällt. Magst du Schmuck? Smaragde, die zu deinen Augen passen? Diamanten?« Mit gespreizten Fingern griff er nach ihrem Hals, berührte ihn aber nur beinahe.
    »Was ist mit Kleidern? Für jede Stunde des Tages ein anderes Outfit, in Farben, wie du sie dir nicht einmal erträumt hast. Haustiere? Nimm dir einen Krallenaffen oder einen weißen Tiger. Ferne Orte? Du kannst in Cabo San
Lucas oder an der Côte d’Azur in der Sonne liegen. Alles, Jenny. Stell es dir einfach vor.«
    Jenny schlug die Hände vors Gesicht. »Du bist verrückt .«
    »Ich kann deine wildesten Träume wahr werden lassen. Buchstäblich. Bitte mich um irgendetwas, irgendetwas, von dem du gedacht hast, dass du es niemals haben könntest. Schnell, ich werde dir das Angebot vielleicht nicht noch einmal machen.«
    Jenny schluchzte beinahe. Seine Stimme, sanft und beharrlich, gab ihr das Gefühl, den Halt zu verlieren. Sie verspürte den beängstigenden Drang, sich in seine Arme fallen zu lassen.
    »Jetzt, Jenny, solange wir noch Freunde sind. Später werden die Dinge nicht mehr ganz so angenehm sein. Ich will dir nicht wehtun, aber ich werde es tun, wenn es notwendig ist. Erspare dir selbst eine Menge Schmerz und Mühe und erlaube mir, dich jetzt glücklich zu machen. Gib nach, unterwirf dich mir. Es wird ohnehin irgendwann passieren.«
    Das haltlose Gefühl verschwand. Jenny riss den Kopf hoch. »Oh, wirklich?«
    »Ich verliere

Weitere Kostenlose Bücher