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Die Gejagte

Die Gejagte

Titel: Die Gejagte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa J. Smith
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allein in der Mitte des Zimmers, krümmte sich zusammen und umfasste ihre eigenen Ellbogen. Noch nie hatte sie sich so allein gefühlt – oder so verängstigt.
    Voller Verzweiflung vermisste sie ihre Freunde. Dees Mut, Michaels Humor, Audreys Sinn fürs Praktische. Sie wollte Summer beschützen, und was Zach betraf – sie wollte herausfinden, was mit ihm nicht stimmte. In all den Jahren hatte sie ihn noch nie so seltsam wie heute erlebt.
    Aber am meisten von allen vermisste sie Tom.
    Tom, dachte sie grimmig. Er ist derjenige, der in Schwierigkeiten ist. Nicht du. Er durchlebt Gott weiß was und erhält Julians ganz besondere Aufmerksamkeit. Du hast wirklich kein Recht, hier zu stehen und zu jammern, während das geschieht.
    Sie schimpfte mit sich selbst – und es half tatsächlich, die plappernden Stimmen in ihrem Hinterkopf zum Schweigen zu bringen; die plappernden Stimmen, die ihr sagten, dass sie damit nicht fertig werden konnte.
    Julian hatte ihr klargemacht, dass alles von ihr abhing.
    In Ordnung. Sie war jetzt ruhiger. Sie wusste, dass sie sich jetzt in Bewegung setzen musste – aber wohin? Jenny versuchte, ihre wirren Gedanken zu ordnen, sich an die
Architektur des Papierhauses zu erinnern. Der Salon lag an einem langen, zentralen Flur im Erdgeschoss. Am Ende dieses Flurs war eine Treppe gewesen.
    Oben, hatte Julian gesagt.
    Jenny ging durch den von Kerzen erhellten Flur, vorbei an goldgerahmten Porträts, die missbilligend von den Wänden stierten.
    Sie blickte die Treppe hinauf.
    Sie war breit und die Mitte der Stufen war mit Teppich ausgelegt. Sie hatte überhaupt nichts Merkwürdiges an sich – aber Jenny konnte sich trotzdem nicht dazu durchringen, einen Fuß darauf zu setzen.
    Wenn ich mich umdrehe und wegrenne …, dachte sie. Es war unmöglich zu begreifen – emotional zu begreifen –, dass sie nicht einfach in den Salon zurückkehren und einen Weg nach Hause finden konnte.
    Aber ihr Verstand sagte ihr, dass in dem Salon nichts war, was ihr weiterhelfen würde. Und sie wollte gar nicht erst daran denken, was sie erwarten würde, wenn sie die Vordertür dieses Hauses öffnete.
    Du hast nur zwei Möglichkeiten: hierbleiben und dich verstecken oder nach oben gehen. Du musst dich entscheiden.
    Sie setzte einen Fuß auf die Treppe. Die Stufe fühlte sich fest und stabil an. Wie die jeder anderen Treppe. Stufe für Stufe näherte sie sich der Dunkelheit am oberen Ende.
    Der Flur im ersten Stock schien sich unendlich in beide Richtungen zu erstrecken, so dunkel, dass Jenny kein Ende
sehen konnte. An den Wänden hingen zwar in regelmäßigen Abständen Kerzen in Messingleuchtern, aber so weit voneinander entfernt, dass sie nicht viel Licht spendeten. Jenny erinnerte sich nicht daran, einen Flur wie diesen in dem Papierhaus gesehen zu haben. Vielmehr sah es hier aus wie im Spukhaus von Disneyland. Wie jedes andere Kind in Südkalifornien war Jenny so oft in Disneyland gewesen, dass sie alles auswendig kannte. Tatsächlich erkannte sie die unheimliche Tapete.
    Aber das war lächerlich. Warum sollte es hier genauso aussehen?
    Während sie weiterging, ließ sie ihre Fingerspitzen über die Wand gleiten. Dann sah sie etwas in der Dunkelheit ein Dutzend Schritte den Flur hinunter bewegte sich etwas im flackernden Kerzenschein.
    Jenny wusste nicht, ob sie darauf zulaufen oder davor wegrennen sollte. Da erkannte sie etwas Vertrautes an den langen Beinen und der schlanken Figur.
    »Dee!«
    Dee schaute kaum auf, als Jenny sie erreichte. Sie rang mit einer Tür, die genauso aussah wie die, vor der Jenny als Kind immer Angst gehabt hatte. Vieles im Disney-Spukhaus war einfach töricht gewesen, vieles andere verwirrend  – aber nur eine Sache hatte der kleinen Jenny jemals wirklich Angst gemacht … und das war eine Tür.
    Eine geschlossene Tür, die sich in der Mitte wölbte, als stemme sich von der anderen Seite ein großes Gewicht dagegen, welches das Holz verformte, dehnte, lockerte, während
die ganze Zeit über ein kehliges Knurren durch die Tür drang – und nicht von der Art, wie ein Mensch es hervorbringen konnte.
    Die Tür, mit der Dee rang, war genau wie die in dem Spukhaus.
    Nur dass diese hier einen Spalt breit offen war. Dee hatte ihren luchsähnlichen Körper dagegen gestemmt, den Kopf gesenkt, die Knie gebeugt, ein langes, schlankes Bein nach hinten gestellt, sodass ihre Schuhspitze sich in den schwarzen Teppich im Flur bohrte – aber sie bekam die Tür nicht ganz zu.
    Ohne ein Wort zu

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