Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Gejagte

Die Gejagte

Titel: Die Gejagte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa J. Smith
Vom Netzwerk:
zurücktrat, war Michaels Mund vollkommen mit kirschrotem Lippenstift verschmiert. Und er wirkte erheblich ruhiger.
    »Ich lebe, um zu gehorchen«, sagte er schwach.
    »Du lebst, um zu schwätzen«, gab Audrey zurück.
    »Wir alle müssen Ruhe bewahren«, stellte Jenny fest. »Wir müssen nachdenken. Wie können wir diese Dinger loswerden? Wir können sie nicht einfach ausreißen. Also, was können wir sonst tun?«
    »Unkrautvernichter«, murmelte Dee. Auf ihr wuchs eine exotische rot- und grünblättrige Pflanze heran, die beinahe mit ihrer dunklen Haut harmonierte.
    »Aber wir haben hier nichts, womit wir etwas anfangen könnten«, wandte Audrey ein. »Erst recht nichts, was für Pflanzen tödlich wäre.«

    Michael sprach im Flüsterton – aber in diesem Flüsterton lag ein neuer Klang.
    »Wir haben Feuer.«
    Jenny betrachtete die Kerze im Messingleuchter.
    »Du kannst mich jetzt loslassen«, sagte Michael zu Dee. Ich werde nirgendwohin rennen. Ich sehe nach, ob ich die Kerze aus dem Halter bekomme.«
    Dee ließ von ihm ab. Er versuchte, einen Schritt zu machen, dann hielt er inne. Er kauerte sich hin und erstarrte, sein Kopf fast auf Bodenhöhe. Jenny bückte sich ebenfalls.
    Sein nackter Fuß war mit einem Netz aus weißen Ranken am Boden verwurzelt.
    Sie wuchsen aus seiner Fußsohle und in den schwarzen Teppich hinein. Er konnte den Fuß kaum zwei Zentimeter anheben, und man sah die Wurzeln nur, wenn er seinen Fuß ein wenig zur Seite drehte.
    Jenny erwartete, dass er wieder durchdrehen würde. Aber Audrey nahm entschlossen seine Hand und zerquetschte mit den Fingern die Blätter auf dem Handrücken.
    Michael zitterte, aber er blieb ruhig.
    »Holt die Kerze«, sagte er mit belegter Stimme.
    Dee nahm sie mühelos aus dem Halter. »Ich werde es zuerst an mir selbst ausprobieren«, erklärte sie.
    »Nein. An mir.«
    Dee blickte ihn mit ihren schlehenfarbenen Augen an, dann nickte sie. Sie neigte die Kerze und hielt die Flamme an ein Blatt auf seinem Arm.
    Dort wo die Flammen es berührten, schien das Blatt in
eine leichte Halbmondform zu schmelzen. Als der Rand sich schwärzte, stieg ein übler Geruch auf. Sonst passierte nichts.
    »Versuch es an den Wurzeln.«
    Dee hielt die Flamme tiefer, ganz dicht an Michaels Haut. Michael zuckte vor der Hitze zurück, aber Audrey hielt ihn fest.
    Die Pflanze begann zu verschrumpeln.
    »Das ist es!«
    »Kannst du es aushalten?«, fragte Dee.
    »Ich kann alles aushalten, um diese Dinger loszuwerden. Mit dem richtigen Ansporn …« Er sah Audrey hoffnungsvoll an, die ihn immer noch festhielt und ermutigende Worte murmelte.
    Trotz allem musste Jenny lächeln. In Todesangst zu schweben und dabei auch noch albern zu sein, das erforderte eine ganz spezielle Art von Mut.
    Dee verbrannte weitere Wurzeln. Und die Blätterranken fielen immer schneller und schneller ab und verschrumpelten bei der ersten Berührung der Flamme.
    Michael schluchzte fast vor Erleichterung. Seine Arme und sein Körper waren frei.
    »Etwas – äh, weiter unten vielleicht noch?« Dee deutete mit der Kerze auf Michaels Jogginghose.
    »Nein! Und pass bloß auf, wo du dieses Ding hinschwenkst. Ich hab vor, Familienvater zu werden.«
    »Seht mal«, sagte Jenny leise.
    Das Fleckchen Moos auf ihrer Haut wurde kleiner und kleiner. Einen Moment später war es vollkommen verschwunden.
Das Gleiche geschah bei Dee und Audrey. Michaels Füße lösten sich vom Boden.
    Und dann lachten sie alle, bewunderten ihre reine, perfekte Haut, berührten sie und zeigten sie den anderen. Genau wie am Ende von Ben Hur, dachte Jenny, wenn die beiden Frauen auf wundersame Weise von der Lepra geheilt werden. Michael zog sein Sweatshirt wieder an und küsste Audrey erneut.
    »Du hattest vorhin etwas Schimmel auf den Lippen«, bemerkte er. »Aber ich wollte es nicht erwähnen.«
    »Nein, das ist nicht wahr«, murmelte Dee in Audreys Ohr. Audrey schenkte Michael einen nachsichtigen Blick.
    »Dies war also dein Albtraum und wir haben ihn durchgestanden« , stellte Jenny fest. »Dieser Flur ist dein Albtraumzimmer. Und das bedeutet, dass wir durch diese Tür zurückgehen müssen …«
    Die Tür öffnete sich unter Dees Hand, und sie gingen über die Schwelle in den Flur, der anscheinend derselbe war. Mit zwei Unterschieden, wie Jenny jetzt auffiel. In diesem Flur fehlte keine Kerze aus einem der Messingleuchter. Und auf dem Boden lag ein Stück weißes Papier.
    Das Bild von einer riesigen grünen Pflanze, in etwa wie eine Gummipflanze,

Weitere Kostenlose Bücher