Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Gejagte

Die Gejagte

Titel: Die Gejagte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa J. Smith
Vom Netzwerk:
damit, wenn es so weit ist.« Sie drückte auf den roten Knopf. Das blaue Licht ging an. Die Tür glitt auf.
    Ein unordentliches Zimmer lag vor ihnen.
    »Da seht ihr’s«, sagte Summer.
    Es war Summers Zimmer, nur noch schlimmer. Seit Jenny sie kannte, war Summers Zimmer unordentlich. Summers Eltern waren Fans der Hippie-Kultur, und so sah alles in ihrem Haus leicht ausgefranst oder verwittert aus, aber wie Michael es ausdrückte, hatte Summer das Chaos zu einer Kunstform erhoben. Wenn man sie besuchte, konnte man die handgemachten Batik-Vorhänge am Fenster oder die helle Patchwork-Decke auf dem Bett kaum sehen, wegen der Dinge, die vom Fenster herabhingen
oder auf dem Bett aufgetürmt waren oder darüber verstreut lagen.
    In dem Raum hinter der verspiegelten Tür konnte Jenny nicht einmal das Bett sehen. Vor dem Schrank befand sich die einzige kleine freie Fläche – alles andere war unter Müllhaufen begraben.
    Dee und Michael kicherten. »Typisch für dich, Sonnenschein, einen solchen Albtraum zu haben«, bemerkte Dee.
    Jenny seufzte und war nicht annähernd so erheitert. »Okay, gehen wir alle rein. Ich nehme an, wir müssen es aufräumen – irgendwo an einer der Wände muss eine Tür sein.«
    »He, wartet. Ich will ja auch nichts Unanständiges sagen« , protestierte Michael erschrocken, »aber Staub ist schlecht für meine Allergien.«
    »Rein da«, sagte Audrey und packte ihn am Ohr.
    Sie alle zwängten sich zwischen den Schrank und die Müllhaufen. Die Tür glitt lautlos hinter ihnen zu – und verschwand.
    »So viel zum Thema Klaustrophobie«, stieß Michael atemlos hervor.
    »Cette chambre est une vrai pagaille«, murmelte Audrey vor sich hin.
    »Was?«, fragte Jenny.
    »Ich sagte, dass dieses Zimmer das totale Chaos ist. Summer, wie kannst du das bloß ertragen?«
    Summers porzellanblaue Augen füllten sich mit Tränen.
»Mein richtiges Zimmer ist nicht so schlimm wie dieses hier. Das hier ist mein Albtraum, Dummkopf!«
    »Aber warum diese Art von Albtraum?«, fragte Audrey unnachgiebig.
    »Weil meine Mom mich niemals wegen meines Zimmers anschreit, aber einmal war meine Grandma zu Besuch, und sie ist fast ohnmächtig geworden. Ich träume immer noch davon, was sie gesagt hat.«
    »Lass sie besser in Ruhe, sie fühlt sich sowieso schon mies«, flüsterte Jenny Audrey zu. »Am besten versuchen wir, einen Weg um diese Haufen herum freizuschaufeln«, sagte sie laut, »und suchen jede Wand nach einer Tür ab.«
    Die Haufen zeigten eine erstaunliche Vielfalt. Stapelweise zerknitterte Kleider, uralte Zeitschriften, zerlegte Ray-Bans, Kassetten mit Bandsalat, ausgeleierte String-Bikinis, zerdrückte Joghurtbecher, zerknitterte Fotos, nicht zusammenpassende Sandalen, ausgetrocknete Filzstifte, angekaute Bleistifte, verhedderte Kopfhörer, vermoderte Handtücher, Berge von Unterwäsche und ein Zoo zerrupfter Stofftiere. Außerdem eine von einem Hund angekaute Frisbee-Scheibe, eine verbeulte Twister-Matte und ein Futon, der wie das Hinterteil von jemandem roch.
    »Hier drin haust eine Spinnenfamilie«, bemerkte Dee, als sie einen der Haufen auflas. »Schon mal was von einem Insektenspray gehört?«
    »Ich glaube an leben und leben lassen«, sagte Summer vage.

    Es ist wirklich ein Albtraum, dachte Jenny – ein Albtraum des mühsamen Sortierens. Aber Dee arbeitete mit unermüdlicher Energie und Audrey mit sorgfältiger Präzision, sodass sie sich langsam eine Schneise durch die Trümmer bahnten. Michael dagegen war zu überhaupt nichts zu gebrauchen – er blätterte jede Zeitschrift durch, die er in die Finger bekam.
    Dann stießen sie auf eine andere Art von Müll – bei der Audrey die Nase rümpfte. Geschwärzte Avocadoschalen, vermoderte Zeitungen und Plastikgläser mit den Resten von nicht näher identifizierbaren Flüssigkeiten darin.
    Jenny hob eine Schachtel voller Krimskrams auf und entdeckte darunter eine gepresste Blume auf dem Hartholzboden. Zumindest dachte sie auf den ersten Blick, dass es eine gepresste Blume wäre. Aber es war keine Blume, dafür hatte es die falsche Form. Sie betrachtete das Ding genauer und dann erkannte sie die kleine Schnauze und die winzigen eingerollten Füßchen. Es war eine platte, vertrocknete Maus.
    Unwillkürlich stöhnte sie auf.
    Das fasse ich nicht an, dachte sie. Ich kann das nicht anfassen. Ich kann es einfach nicht.
    Dee kratzte die Maus mit einem zehn Jahre alten Kalender vom Boden und warf sie in den Schrank. Jenny spürte Ekel in sich aufsteigen –

Weitere Kostenlose Bücher