Die Gejagte
einen Ekel, der weit über die Maus hinausging.
Es wurde immer schlimmer – wie auf einer Müllkippe statt in einem Schlafzimmer. Essen in allen Stadien der Verwesung. Jede Art von Abfall und Gerümpel.
Jetzt lächelte niemand mehr.
Dee hob ein zerfetztes Osterkörbchen auf und hielt inne. Ein widerlicher Geruch strömte heraus. Mit spitzen Fingern hob sie das Ostergras an, dann verkrampfte sich ihr Gesicht. In dem Körbchen wand sich eine dicke, fette Masse von weißen Maden.
»Oh. Mein. Gott!« Mit einer schnellen Bewegung feuerte Dee das Körbchen in den Schrank, wo es auf dem Boden aufschlug und sich die weiße Masse über das Innere des Schranks verteilte. Michael sprang mit einem Aufschrei von seiner Zeitschrift hoch. Audrey und Summer kreischten.
Jenny überlief ein eiskalter Schauder der Angst.
»Summer – w as genau hat deine Grandma über dein Zimmer gesagt?«, fragte sie.
»Oh, sie sagte, dass darin irgendwann Dinge wachsen würden«, berichtete Summer mit vor Sorge weit aufgerissenen Augen. »Sie sagte, es würde Kakerlaken anziehen. Sie sagte, es sehe aus wie nach einem Erdbeben. Und sie sagte, dass ich mich eines Tages darin verlieren und nie wieder herauskommen würde.«
Dee hatte Summer die ganze Zeit angestarrt und warf Jenny jetzt einen erschrockenen Blick zu. Einen Blick, der alles sagte. »U- hu «, murmelte sie.
Die Anspannung im Raum war förmlich mit Händen zu greifen.
»Und was für Albträume hattest du genau ?«, hakte Jenny nach und versuchte, ihre Stimme unter Kontrolle zu halten.
»Oh.« Summer schauderte. »Nun – zuerst ist es so, als
würde ich ein Kratzen hören, und dann schaue ich hin, und es sind diese Kakerlaken. Aber sie sind groß, so groß wie … Turnschuhe. Und dann sehe ich dieses Ding auf dem Boden. Es ist wie ein Pilz oder eher wie eine Säule von Pilzen, aber es hat eine Art Mund auf der Oberseite und es heult. Es ist ein heulender Pilz.«
Summers Lippen zitterten.
»Es mag vielleicht nicht beängstigend klingen, aber es war beängstigend. Es war das Furchteinflößendste, was ich in meinem ganzen Leben gesehen habe.«
Jenny, Audrey, Dee und Michael sahen einander alarmiert an. »Für mich klingt das alles schon ziemlich beängstigend« , sagte Jenny. »Ich denke, wir sollten zusehen, dass wir hier wegkommen.«
Michaels Lippen formten sich zu einem lautlosen Pfiff. »Ich denke, du hast recht«, murmelte er. Ohne ein weiteres Wort der Klage machte er sich an die Arbeit.
Der Schrank war inzwischen voll, und so warfen sie einfach alles, was sie vor sich fanden, hinter sich, als würden sie einen Tunnel graben. Der Müll wurde immer ekelhafter. Jenny hielt ein paar zerknitterte T-Shirts wie Ofenhandschuhe, um die Dinge nicht mit bloßen Händen anfassen zu müssen.
Und dann kamen die Kakerlaken.
Es begann mit einem harmlosen Rascheln; ein angenehmes Geräusch wie ein Ballkleid aus Taft. Jenny versteifte sich, dann drehte sie sich langsam zu dem Geräusch um.
Eine Kakerlake, flach und braun. Aber sie war riesig,
viel größer als Jennys Fuß. Mit fließenden Bewegungen kroch sie aus der Bodenbelüftung und zappelte sich irgendwie hindurch. Ihre mit Widerhaken bedeckten schwarzen Beine verfingen sich an den metallenen Belüftungsklappen und machten ein sanft tickendes Geräusch.
Summer stieß ein raues Kreischen aus und zeigte auf das Tier. Dann krabbelte ein weiteres aus dem Lüftungsschacht. Und noch eins. Summers ausgestreckter Finger verschwamm zu einem schlotternden Etwas.
Jenny griff nach einem Wasserglas, um sie zu beruhigen – und riss die Hand zurück. Das Glas war gerammelt voll mit Grillen, deren Antennen sanft zuckten.
Als Summer das sah, ließ sie ihre Hand sinken und erstarrte.
Aus einer alten Süßigkeitenschachtel tauchten noch mehr Kakerlaken auf – wenn auch kleinere –, und ein paar Pappbecher erzitterten, als das Ungeziefer daraus hervorgekrochen kam.
Summers Gesicht war so weiß, dass unter ihren Augen schwarze Ringe hervortraten.
Schimmernde grüne Käfer, so groß wie Fußbälle, kletterten die Wände hinauf. Sie dehnten ihre äußeren Chitinflügel, sodass ihre hauchdünnen inneren Flügel darunter hervorhingen wie Unterröcke.
Summer war wie zu Eis erstarrt.
Jenny blickte auf. Ein Dutzend brauner Motten klammerte sich flach an die Decke, ihre dunkel gefleckten Flügel ausgestreckt wie kleine Drachenflieger.
»Komm schon, Summer, hilf uns!«, befahl Audrey mit angstvoll gepresster Stimme, während sie weiter in
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