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Die Gejagte

Die Gejagte

Titel: Die Gejagte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa J. Smith
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war immer der schlimmste. Man musste ihn mit den Augen des anderen sehen, in die Haut des anderen schlüpfen, um zu verstehen, wie schlimm etwas war.
    »Es tut mir leid«, flüsterte sie. »Aber oh, Tom, deine Handgelenke …«Sie waren aufgerissen und bluteten. Er war mit ebensolchen Handschellen gefesselt, wie sein Bruder Bruce sie als Polizist benutzte. Der Rest von ihm lag in Ketten wie Marleys Geist in Dickens’ A Christmas Carol.
    »Ich hab immer wieder versucht wegzukommen«, berichtete er. »Nicht wegen der Ratten. Sondern weil ich
dich gesehen habe. Er kam und hielt mir einen Spiegel hin, und ich konnte dich sehen und alles, was mit dir geschehen ist. Ich hab dich alles durchmachen sehen. Als Summer starb …« Er brach ab, um sich zusammenzureißen, und sein Gesicht verzerrte sich.
    Er hat mich gesehen?, dachte Jenny entsetzt. Vor ihrem inneren Auge blitzten all die Bilder auf, die Tom gesehen haben könnte, all die Bilder von Julian und Jenny. Doch dann verspürte sie eine Woge der Erleichterung. Wenn Julian dagestanden und einen Spiegel in der Hand gehalten hatte, musste er Tom jene Geschehnisse gezeigt haben, bei denen er – Julian – nicht mit Jenny zusammen gewesen war. Trotzdem, sie musste Gewissheit haben.
    »Hast du ihn auch in dem Spiegel gesehen?«
    »Nein. Aber er hat mir erzählt – er hat mir erzählt, dass er dir Dinge angetan hat. Euch allen. Und er hat darüber gelacht.«
    Jenny ergriff seine Hände. »Mach dir darüber keine Sorgen mehr, Tom. Er kann uns nicht mehr wehtun. Wir sind frei, Tom – wir haben gewonnen. Jetzt müssen wir nur noch den Weg hier herausfinden.«
    Tom sah sie an, dann deutete er mit dem Kopf hinter sich. Jenny drehte sich um.
    Bis jetzt hatte Tom ihre ganze Aufmerksamkeit auf sich gezogen, sodass sie die Tür übersehen hatte. Eine Tür, genau wie die in dem Spieleladen, die auf die Montevideo hinausführte. Aber diese Tür hier stand einen Spaltbreit offen, durch den nichts als Dunkelheit zu sehen war.

    Dunkelheit und eine riesige, zusammengerollte Schlange und ein großer Wolf, die den Weg versperrten.
    »Der Kriecher und der Schleicher. Endlich«, murmelte Dee.
    »Nur ein kleines Problem«, sagte Michael nervös.
    Es waren keine echten Tiere – es sah vielmehr danach aus, als hätte sie jemand mit Leuchtfarbe auf die Dunkelheit gemalt. Vielleicht wie einer der Spezialeffekte, die Zach für seine Fotos verwendete. Aber der Wolf atmete und die fluoreszierende Zunge der Schlange zischelte aus ihrem Maul und wieder zurück. Jenny war davon überzeugt, dass die beiden sich bewegen konnten – um ihnen etwas anzutun.
    Sie umfasste Toms Handschellen. »Er muss uns gehen lassen. Das besagen die Spielregeln: Wenn wir es in das obere Stockwerk schaffen, sind wir frei.«
    »Nicht direkt«, sagte die flüssige, elementare Stimme aus dem hinteren Teil des Ladens.
    Er sah genauso aus wie bei ihrem ersten Besuch im Spieleladen, eine ziemlich seltsame Mischung aus Cyberpunk und Lord Byron. Die Schlangentätowierung war wieder auf seinem Handgelenk.
    Er wirkte genauso lakonisch. Und genauso schön. Sein Haar war wie Mondstein, weiß mit einem bläulichen Schimmer. In diesem fahlen Licht waren seine Augen mitternachtsblau.
    Er sah – charmant, finster und ein bisschen wahnsinnig aus. Ein Dämonenprinz mit dem Gesicht eines Engels.

    Plötzlich hatte Jenny furchtbare Angst.
    Sie war wachsam und angespannt. Immer noch auf dem Boden kniend, richtete sie ihren Rücken so gerade wie möglich auf.
    Die anderen sammelten sich ebenfalls. Das schummrige Licht verfing sich in Zachs hellem Haar und der goldenen Schnalle von Audreys Designer-Kalbsledergürtel. Jenny sah ihren Gesichtern an, dass sie Julian inzwischen besser kannten, obwohl sie ihm während des Spiels kaum begegnet waren – aber sie verstanden, was er war.
    Julian lächelte sein seltsames, süßes Lächeln.
    »Ihr alle wolltet wissen, wer ich bin. Nun, ich werde euch ein letztes Rätsel aufgeben«, fuhr er fort. »Ich bin ein Besucher von den Sternen. Ich bin der Erlkönig. Ich bin Loki. Ich bin Puck. Ich bin der Jäger. Ich bin der Schattenmann. Ich bin euer wahr gewordener Albtraum.«
    »Das haben wir selbst auch schon herausbekommen«, sagte Jenny leise und ruhig. »Wir haben dein Spiel gespielt und gewonnen. Und jetzt wollen wir nach Hause.«
    »Ihr habt mich nicht zu Ende spielen lassen«, sagte Julian und richtete das Lächeln auf sie. »Du weißt doch noch, als du in den Spieleladen gekommen bist, habe

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