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Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition)

Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition)

Titel: Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Pancol
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mal, wer er ist.«
    »Ich stelle ihn mir vor, und das ist wunderbar. Es ist fast noch besser, sich eine Liebe zu erträumen, als sie wirklich zu erleben, dann kann man wenigstens nicht enttäuscht werden …«
    »Und wie ist der Sex so in deinen Träumen?«
    »So weit bin ich noch nicht«, entgegnete Joséphine seufzend, den Blick fest auf den Bildschirm gerichtet, wo der Sarg des verstorbenen Ehemannes den Trägern aus der Hand gerutscht war und die Treppenstufen hinunterpolterte, während Shirley MacLaine ungerührt unter ihrem großen rosafarbenen Hut weiterging.
     
    Er fand nachts keine Ruhe mehr. Faugerons drohender Finger riss ihn aus dem Schlaf; schweißgebadet wachte er auf, das Kissen und die Laken waren völlig durchnässt. Er glaubte zu ersticken, bekam keine Luft mehr, röchelte, wand sich, rang nach Atem, bis sich der Knoten in seiner Kehle löste und die kühle Nachtluft in seine Nase strömte. Dann stand er auf, ging unter die Dusche, zog eine frische, trockene Schlafanzughose an und lauschte den Geräuschen der afrikanischen Nacht, die durch das weit offene Schlafzimmerfenster hereindrangen. Die Rufe der Papageien, die sich auf das Dach des Hauses geflüchtet hatten, das Kreischen der Affen, die in den breiten, flachen Kronen der Akazien Fangen spielten, das Trappeln einer Impala im hohen Gras, alles erschien ihm fremd und bedrohlich. Tagsüber fühlte er sich wie ein Eindringling in diesem Land … aber nachts kam es ihm vor, als riefe die gesamte Natur ihm zu, er solle verschwinden, zu den Weißen zurückkehren, diesen schwächlichen, schwitzenden kleinen Menschen, die die afrikanische Hitze nicht vertragen und sich mit Chinin vollstopfen.
    Neben sich hörte er Mylènes ruhigen Atem, doch es gelang ihm nicht, wieder einzuschlafen. Also stand er auf, ging hinunter ins Wohnzimmer, schenkte sich einen Whisky ein und trat hinaus auf die hölzerne Veranda, die sich um das gesamte Haus zog. Er setzte sich auf die Stufen und trank einen Schluck, dann einen zweiten, einen dritten … Nach und nach gewöhnten sich seine Augen an die Dunkelheit.
Immer mehr flackernde gelbe Punkte leuchteten in der Finsternis auf und schienen sich von allen Seiten auf ihn zuzubewegen: die gelben Augen der Krokodile. Reglos wie Glühwürmchen schwebten sie dicht über der schimmernden, schwarzen Oberfläche der Tümpel und beobachteten ihn. Er hörte, wie ihre Schwänze das Wasser kräuselten, wie sich ihre Körper langsam und schwerfällig in Bewegung setzten, sich dem Ufer näherten und warteten. Vor dem Haus. Eines, dann zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht … Wie stumme Taucher durchschnitten sie die Dunkelheit. Manchmal öffnete eines von ihnen sein großes Maul, und in der Schwärze zeichnete sich eine Reihe weißer Zähne ab. Dann schnappte das Maul wieder zu, und er sah nur noch die gelben Schlitze, die ihn anstarrten. Seit Millionen von Jahren leben sie schon auf der Erde, dachte er, seit Millionen von Jahren trotzen sie allen Naturkatastrophen, trotzen der Erde, die aufreißt, sich zusammenschiebt, bricht, brennt und fließt, vereist und erstarrt. Sie haben Dinosaurier vorüberziehen sehen, Primaten, Menschen auf vier Beinen, gebückt gehende Menschen, aufrecht gehende Menschen, und sie sind immer noch da und beobachten uns wachsam. Verglichen mit ihnen bin ich ein Nichts. Ich bin so einsam hier. Ich habe niemanden mehr, mit dem ich reden kann. Und immer noch keine Nachricht von Mister Wei. Keine Nachricht, kein Scheck, keine Erklärung. Seine Sekretärin sagt immer: Ja, ja, Mister Wei is going to call you back , aber er ruft nicht zurück. Don’t worry, Mister Tonio, he’ll call you, he’ll call you, everything’s all right , aber nein! Nichts war all right , er hatte nicht einen Cent gesehen, seit er hier war. Er lebte von Mylènes Ersparnissen. Wenn er seine Töchter in Frankreich anrief, erfand er Geschichten, erzählte von sagenhaften Gewinnen, versprach, dass sie ihn bald besuchen dürften, es sei nur noch eine Sache von Tagen. Sie mussten die Anspannung in seiner Stimme hören, denn sie antworteten nur noch einsilbig, um ihn nicht zu verletzen. Und Jo?, murmelte er, während sein Blick einem Krokodil folgte, das zu den anderen stieß und dem Teppich aus Lichtern, die ihn beobachteten, zwei gelbe Leuchten hinzufügte. Faugeron hatte ihr sicher alles erzählt. Sie hatte nicht angerufen. Hatte ihm nicht den geringsten Vorwurf gemacht. Er schämte sich. Sein Blick wanderte zurück zu den gelben

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