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Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition)

Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition)

Titel: Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Pancol
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beschloss, vor dem weinseligen Gegröle aufzubrechen. Wenn sie erst einmal anfingen zu schwanken, konnte man für nichts mehr garantieren. Sie diskutierten, verloren alle Hemmungen, mischten sich in Sachen ein, die sie nichts angingen, regelten Familienstreitigkeiten, die Jahre zurücklagen, schlugen Flaschenhälse ab, um sich gegenseitig an die Gurgel zu gehen.
    Nach einer Weile begann sich alles in ihrem Kopf zu drehen, und sie bat, jemand möge ein Fenster öffnen. »Warum, haste Hitzewallungen? Haste ’nen Braten in der Röhre? Weißte denn, wer der Vater ist?« Anzügliches Gelächter ertönte, ein wahrer Chor aus Lachen, immer wieder wurde es neu aufgenommen wie ein Kanon, breitete sich in alle Richtungen aus, erklomm Tonleitern und stürzte herab, und ihre Verwandten stießen sich mit dem Ellbogen in die Seite, als tanzten sie den Ententanz. »Mein Gott, habt ihr kein anderes Thema als mich«, rief sie und atmete tief durch, »gibt’s nix anderes, worüber ihr reden könnt …? Zum Glück bin ich da, sonst wärt ihr alle vor Langeweile krepiert!«
    Sie verstummten beleidigt. »Du hast dich auch kein bisschen verändert!«, zischte Cousin Paul, »immer noch genauso giftig wie früher. Kein Wunder, dass dir noch keiner ’nen Braten in die Röhre geschoben hat! Das soll sich erst mal einer trauen! Zwanzig Jahre Zwangsarbeit mit dieser eingebildeten Zicke am Hals. Der Kerl müsste ja entweder völlig zugedröhnt sein oder total irre!«
    Ein Kind! Ein Kind von Marcel! Warum hatte sie nicht früher daran
gedacht? Noch dazu, wo er davon träumte. Er sprach ständig davon, dass der Zahnstocher ihm dieses eheliche Glück verweigert hatte. Seine Augen wurden feucht, wenn er eins von diesen kleinen Engelchen sah, die in stinkenden Windeln oder von oben bis unten mit Brei verschmiert in der Werbung herumkrabbelten.
    Die Zeit blieb stehen.
    Die Gäste beim Leichenschmaus erstarrten, als hätte sie auf die Pausentaste der Fernbedienung gedrückt, und die Worte nahmen Gestalt an. Ein Ba-by. Ein kleines Ba-by. Ein Jesuskindchen. Ein kleiner pausbackiger Grobz. Mit ’nem goldenen Löffel im Mund. Was sag ich da?’N Löffel? Mit ’nem ganzen Besteckkasten im Mund! Dass es beinahe dran erstickt, das arme Kleine! Gott, dauerte das lange, ehe bei ihr der Groschen fiel! Das war die Lösung: Sie musste Chef zurückerobern, sich von ihm ein Kind machen lassen, und danach sollte noch mal jemand versuchen, sie abzusägen! Ein verzücktes Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus, ihr Kinn sackte glückselig herunter, und ihr Busen wogte in den 90-C-Cups ihres BHs.
    Gerührt ließ sie den Blick über ihre Cousins und Cousinen, ihre Brüder und ihre Onkel, ihre Tanten und ihre Nichten gleiten. Wie sie sie dafür liebte, dass sie sie auf diese glanzvolle Idee gebracht hatten! Wie sie ihre Engstirnigkeit liebte, ihre Mittelmäßigkeit, ihre Säufervisagen! Sie hatte zu lange in Paris gelebt. Sie hatte sich in eine lackierte Tussi verwandelt. Sie war aus der Übung geraten. Hatte den ewigen Kampf der Klassen, der Geschlechter, der Geldbörsen vergessen. Ich sollte viel öfter herkommen, als ständige Weiterbildung gewissermaßen. Zurück zur guten alten Realität: Wie bindet man einen Mann an sich? Mit ’nem Balg im Bauch. Wie hatte sie dieses jahrtausendealte Rezept, das Dynastien begründete und Tresore füllte, bloß vergessen können?
    Fast wäre sie ihnen um den Hals gefallen, doch sie riss sich zusammen, empörte sich wie eine beleidigte Jungfrau, »nein, nein, an so was hab ich nie gedacht«, entschuldigte sich für ihren Wutausbruch, »das war nur die Erinnerung an Maman, die mich so aufgeregt hat! Ich bin mit den Nerven am Ende«, und da Cousin Georges gerade mit dem Auto nach Culmont-Chalindrey zurückfahren wollte, bat sie ihn, sie dort abzusetzen, das würde ihr einmal Umsteigen ersparen.
    »Du willst schon gehen? Du bist doch gerade erst gekommen! Bleib doch heute Nacht noch hier!« Sie bedankte sich mit einem zuckersüßen Lächeln, umarmte hier, küsste da, steckte ihren Neffen und Nichten einen Geldschein zu und machte sich im alten Simca von Cousin Georges aus dem Staub, nicht ohne sich zu vergewissern, dass niemand in Versuchung gekommen war, ihr den Schmuck ihres Lovers zu stibitzen, während sie Mariä Verkündigung am eigenen Leib erfahren hatte.
    Doch das Schwierigste lag noch vor ihr: Sie musste Chef zurückerobern, ihn davon überzeugen, dass ihr Abenteuer mit Chaval nur ein kleiner Ausrutscher gewesen

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