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Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition)

Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition)

Titel: Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Pancol
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weit, sie wanken, stürzen in sich zusammen … Irgendwann werde ich enden wie unsere Mutter. Mit dem Unterschied, dass ich versuchen werde, weniger Gift zu verspritzen. Ein wenig Würde zu bewahren in diesem Unglück, das ich mir ganz allein zuzuschreiben habe. Am Anfang meines Lebens glaubte ich, es würde leicht und angenehm sein; ich hatte ja auch allen Grund, das zu glauben. Ich habe mich von den fröhlich flatternden Bändern des Lebens tragen lassen, bis sie sich als tödliche Schlinge um meinen Hals legten.
    »Bist du denn überhaupt nicht auf den Gedanken gekommen, dass du die Menschen in deiner Umgebung damit verletzen könntest?«
    Joséphines Worte klangen schmerzhaft in ihren Ohren. Warum wählte sie so grausame Worte? Reichte ihr Lebensüberdruss nicht als Erklärung? Mussten jetzt auch noch Worte her? Sollte sie nicht ein für alle Mal Schluss machen? Sie hatte daran gedacht, während sie aus dem Fenster ihres Arbeitszimmers schaute. Nie wieder morgens aufstehen, sich nie wieder fragen müssen: Was soll ich heute machen? Sich nie wieder anziehen, frisieren, nie wieder so tun, als würde sie sich mit ihrem Sohn unterhalten, mit Carmen, mit Babette, mit Philippe … Nie wieder diese Routine, diese ewig gleiche triste Routine. Ihr blieb nur ein einziger Lichtblick: dieses Buch, das sie nicht selbst geschrieben hatte, aber dessen Ruhm und Erfolg immer noch auf sie zurückfielen. Wie lange noch? Sie wusste es nicht. Danach … danach würde sie weitersehen. Danach käme ein neuer Tag, eine neue Nacht. Sie würde sie einen nach dem anderen angehen, sie so erträglich wie möglich gestalten. Sie hatte nicht die Kraft, jetzt schon darüber nachzudenken. Sie hoffte, dass vielleicht eines Tages die alte Iris, die strahlende, selbstsichere Frau, zurückkäme, sie an die Hand nähme und
ihr zuflüsterte: Ist doch alles nicht so schlimm, mach dich hübsch und fang wieder von vorne an … Wahre den Schein, du musst lernen, den Schein zu wahren. Sie seufzte. Das Problem ist, dass ich immer noch grüble … Ich bin schwach, aber ich grüble noch, ich sollte einfach damit aufhören. So wie Bérengère. Ich habe noch Wünsche, in mir brennt noch das Verlangen, die Hoffnung, die Gier nach einem neuen Leben, das ich nicht selbst aufbauen, mir nicht einmal ausmalen kann, weil ich dafür zu schwach bin. Ich sollte so klug sein, mich zurückzuziehen und meine mageren Kräfte zu sammeln, mir zu sagen, was soll’s, mehr Kraft habe ich einfach nicht, finde dich damit ab und mach das Beste draus … Aber dafür ist es sicher noch zu früh, ich bin noch nicht bereit, auf etwas zu verzichten. Sie schüttelte sich. Sie hasste dieses Wort: verzichten. Welch grauenvolle Vorstellung!
    Ihr Blick fiel erneut auf ihre Schwester. Sie hat bei ihrer Geburt so viel weniger Talente mitbekommen als ich, und jetzt meistert sie ihr Leben so gut. Das Leben ist kleinlich. Es scheint fast so, als ziehe es Bilanz, als rechne es gegeneinander auf, was es verteilt und was es dafür zurückbekommen hat, und präsentiere jetzt die Rechnung.
    »Nicht mal Hortense kommt mich mehr besuchen«, klagte sie in einem letzten Aufbäumen dessen, was sie noch Interesse am Leben nennen konnte. »Dabei haben wir uns früher so gut verstanden … Wahrscheinlich findet sie mich auch widerlich!«
    »Ach was, Iris. Sie bereitet sich auf ihre Prüfungen vor. Sie lernt wie eine Verrückte. Sie braucht eine gute Note, sie hat eine Schule für Modedesign in London gefunden, auf die sie nächstes Jahr gehen möchte …«
    »Ach, sie will also wirklich arbeiten … Ich dachte immer, das sei nur so dahingesagt.«
    »Sie hat sich sehr verändert, weißt du. Sie lässt mich nicht mehr so kalt abblitzen wie früher. Sie ist umgänglicher geworden …«
    »Und was ist mit dir? Wie geht es dir? Dich sehe ich ja auch kaum noch in letzter Zeit.«
    »Ich arbeite. Wir arbeiten alle. Wir sind eine richtige Studierstube geworden.«
    Ihr verschmitztes Lachen ging in ein zuversichtliches, zärtliches Lächeln über. Iris erahnte darin die Unbeschwertheit einer fröhlichen,
glücklichen Frau und wünschte sich mehr als alles andere auf der Welt, an ihrer Stelle zu sein. Kurz dachte sie daran, sie zu fragen: Wie machst du das, Joséphine, aber sie hatte keine Lust, die Antwort zu hören.
    Sie hatten sich nichts weiter gesagt.
    Beim Abschied hatte Joséphine versprochen, sie bald wieder zu besuchen. Sie ist wie eine Blume ohne Erde, hatte sie beim Hinausgehen gedacht. Man müsste

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