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Die gelehrige Schuelerin

Die gelehrige Schuelerin

Titel: Die gelehrige Schuelerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ira Miller
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schwangen ein wenig im Tempo unserer Schritte mit.
    »Weißt du«, sagte ich, »ich habe mich immer gefragt, warum ich Dinge tue, die als gut gelten. Das ist eins von den Dingen, die mein niemals Frieden gebender, nagender Geist mich ständig fragt.« Wir lächelten beide. »So war es zum Beispiel, wenn ich meiner Mutter beim Einkaufen half. Ich wusste nie, machte ich das nun, weil ich gut war, oder weil ich nur wollte, dass meine Mutter mich lieb hatte, glaubte, dass ich gut wäre. Eine Stimme in mir sagte immer ›Lester, bist du schlecht? Ist nicht alles Gute und Richtige, das du tust, nur bewusst geplant, um der Welt zu zeigen, was für ein großartiger Kerl du bist?‹ Aber in der vergangenen Woche habe ich alles, was ich für dich getan habe und für dich tun wollte, gemacht, ohne alles zu analysieren. Es ist einfach passiert, als ob ich instinktiv gehandelt hätte. Du gibst mir so ein gutes Gefühl, weil du so bist, wie du bist. Ich bin ein besserer Mensch geworden. Vielleicht bin ich wirklich gut.«
    Wir umarmten uns und hielten uns lange fest, drückten ganz hart, bis die Muskeln schmerzten, und standen eine lange Weile ganz ruhig zusammen.
    Schließlich sagte Annie: »Dein Verstand arbeitet all diese Sachen aus, und dann sagst du sie mir, und alles, was ich vorher nur sehr vage und abstrakt gespürt habe, wird plötzlich kristallklar … und dann weiß ich sicher, dass ich es genauso empfinde.«
    Wir pressten uns noch einmal fest aneinander, bis wir die Knochen spürten. Es gab nur
uns,
still in dem kühlen, ruhigen Wald, und wir waren dankbar, dass wir einander hatten.
    »Denkst du eigentlich manchmal, dass die Dinge, die wir tun, pervers sind?«, fragte Annie. Sie war zum Lunch herübergekommen, und wir gingen gleich anschließend ins Bett, um uns zu lieben. Annie saß diesmal oben. Für eine Abwechslung war das mal ganz okay, aber ich glaube nicht, dass einer von uns beiden das Beste davon gehabt hatte.
    »Meinst du unser Reden, Ficken, Lecken und Saugen?«, fragte ich lächelnd zurück.
    »Ja«, sagte Annie lachend.
    »Findest
du
es pervers?«
    »Nein«, sagte sie, ohne mit der Wimper zu zucken. »Aber manchmal denke ich, dass wir so ziemlich die einzigen Leute in Dillistown sein müssen, die es auf diese Art machen. Ich meine, kannst du dir das vorstellen? Es gibt hier einige alte Betschwestern in der Stadt, die sogar schon
Saturday Night Fever
abstoßend fanden. ›Hast du gesehen, Agnes, wie die mit den Hüften zusammenstoßen? Abscheulich!‹ Und dann hörte ich einige jüngere Leute sagen, wie schrecklich sie die Promiskuität an der Highschool fänden. Entweder sind das entsetzliche Heuchler, oder aber sie sind grün vor Neid, dass sie selbst so was an ihrer Highschool nicht hatten … Sie geben sich so cool, dass ich mir kaum vorstellen kann, dass sie anders Liebe machen als mit einem Bettlaken zwischen sich mit einem Loch darin, um den Penis durchzulassen.«
    Ich lachte. Wir lagen nackt ineinander verschränkt zwischen meinen Betttüchern. »Ich weiß es nicht, Annie«, sagte ich. »Manchmal glaube ich, dass Sex uns einfach mehr gibt, als anderen Leuten, aber dann wiederum glaube ich, dass die anderen es einfach nur verbergen oder unterdrücken.«
    »Wie meinst du das?«
    »Na ja, zum Teil liegt es wohl auch daran, dass wir unser eigenes Winesburg, Ohio, hier haben.«
    »Was ist das denn?«
    »Ein Roman über das Kleinstadtleben, den du irgendwann mal lesen solltest. Von Sherwood Anderson. Der Inhalt ist kurz, dass man in einer kleinen Stadt immer beobachtet wird und nur sehr schwer etwas vor den anderen verbergen kann. So benimmt sich jeder ungeheuer selbstgerecht und tut so, als wäre er ganz sauber. Nach außen hin. Wenn sie sich aber hinter ihren eigenen, geschlossenen Türen befinden, haben sie ihre sexuellen Bedürfnisse entweder so weit unterdrückt, dass sie völlig gereizt und verkrampft sind, oder sie erfinden ihre eigenen kleinen Perversitäten, um sich von der Spannung zu befreien. Einige der Leute in Winesburg haben ganz bestimmt keine Bettlaken benutzt.«
    »Ich wette, wenn die Leute hier rausfinden würden, was wir tun, wie viel Spaß es uns macht und wie oft wir miteinander schlafen, würden sie glauben, wir praktizierten hier eine Art Pornografie oder Perversion.«
    »Weißt du, ich habe in New York mal dieses erotische Musical gesehen, es heißt
Let My People Cum.
Das war richtig lustig, und vor allem hat es mein Denken verändert …«
    »Toller Titel. Ich finde es jetzt schon

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