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Die gelehrige Schuelerin

Die gelehrige Schuelerin

Titel: Die gelehrige Schuelerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ira Miller
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Nacherleben der gesamten Ferien. Keine Chance für mich, die übliche Neujahrsabenddepression zu kriegen – die Enttäuschung, dass man nicht dieses fantastische super-high-Feriengefühl hatte, woraufhin man dann meistens Unmengen von Geld ausgab, um den anderen erzählen zu können, was man nun Großartiges erlebt hätte, obwohl es im Grunde entsetzlich langweilig gewesen war. Annie und unsere Augenblicke zusammen waren für mich superhigh.
    Ich hatte ihr ein Schmuckkästchen aus Glas mit eingefassten gelben Blumen und grünen Stengeln gekauft. Darinnen befand sich dazu passendes Briefpapier mit Umschlägen.
    »Es ist wunderschön«, schrie sie jauchzend, nachdem sie das Einwickelpapier schnell in Fetzen gerissen hatte. »Oh, danke, danke. Ich liebe Geschenke.« Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, um mich mit einer Hand zu umarmen, während sie das Kästchen mit der anderen von sich weghielt.
    Nach dem Essen gingen wir ins Bett,
unser
Bett. Es war ein zu Hause innerhalb des Hauses. Ich küsste sie.
    »Nein, Arnie, das ist schon in Ordnung. Ich möchte bloß bei dir sein.«
    Sie sah mich glücklich und zärtlich an. Wir umarmten uns nur und lagen schweigend nebeneinander. Ich war froh, dass sie nicht wollte. Ich hatte damit angefangen, weil ich glaubte, sie hätte es erwartet, nachdem wir so lange getrennt gewesen waren. Aber ich fühlte mich immer noch schwach von der Grippe. Und sie wusste, spürte das irgendwie.
    Wir zogen uns aus und kletterten unter die Decke. Annie hatte ihrer Mutter schon lange nicht mehr gesagt, dass sie bei Clara übernachten würde. Sie hatte es sich für diesen Abend aufbewahrt. Ein letzter Ferienabend für uns beide zusammen.
    Ihre Wärme tat gut … Wir umschlangen einander in verschiedenen Positionen, streichelten mal zärtlich über eine Wange, kniffen sanft in einen Arm, pressten die Schultern aneinander. Im Zimmer war es stockdunkel, aber ich nahm die Linien ihres Körpers wahr, als ob helles Tageslicht hereinfiel.
    Wir schliefen ineinander verknäuelt, Arme und Beine untergehakt, ein. Ich träumte. Nein, ich konnte das Ticken des Weckers hören. Auch spürte ich Annies Atem. Mir war bewusst, dass ich mich in meinem Zimmer befand. Aber ich hatte ständig Bilder von Annie und mir im Kopf, laufend, spielend, essend, Liebe machend, lachend, wobei sie ein festes Gewicht bildete, an das ich mich hängen konnte. Ohne Annie war ich nicht ich selbst.
    »Weißt du, dass ich schon immer den Wunsch hatte, eine Zigeunerin zu sein?«, fragte sie plötzlich, als füge sie einer gerade stattfindenden Unterhaltung einen neuen Satz zu.
    Ich machte die Augen auf und sagte: »Wirklich?«, als wäre es völlig natürlich, mitten in der Nacht, mitten im Schlaf, ein Gespräch zu beginnen.
    »Ja. Ich stelle mir dann vor, dass ich wilde Zigeunerkleider tragen würde. Rot, gelb, burgunderfarben, und überall hätte ich blaue Tücher hängen. Grellfarbige, weitschwingende Röcke und Lederstiefel mit eingestanzten Adlerköpfen. Goldschmuck am ganzen Körper. Drei Ringe und eine Feder in jedem Ohrläppchen. Einen Goldreifen um den Bauch. Meine Haare wären dann zu dicken Zöpfen geflochten, in die Perlenschnüre mit eingebunden wären. Alles wäre natürlich parfümiert. Ich würde jede Nacht um ein großes Feuer tanzen und spüren, wie gierige Männeraugen mich beobachteten. Ich würde sehr verführerisch auftreten und ihnen zuzwinkern und mich dann aber umdrehen und mich zu dem schönsten und stärksten Zigeuner hinunterbeugen und ihn in mein Zelt mitnehmen. Wir würden die ganze Nacht durch wilde Zigeunerliebe machen und geheime Zigeunertricks austauschen. Und am nächsten Morgen würde ich ihn einfach hinauswerfen. Er würde winseln und betteln, um bei mir bleiben zu dürfen. Aber ich würde ihn nur auslachen und ihm den Rücken zukehren. Dann würde ich alleine schlafen und mich für die nächste Nacht erholen, für das große Vergnügen.«
    »Ich möchte dein Zigeuner sein«, sagte ich.
    Sie lachte verlegen. »Ich denke nur manchmal daran.«
    »Manchmal«, sagte ich nachdenklich, »möchte ich ein Kavalier sein.« Sie hörte mir aufmerksam zu. »Ich wäre gern ein großer Gigolo mit einem weit offenen Hemd und ganz eng sitzenden Hosen. Ich würde die Straße entlangschlendern, in Restaurants und Geschäfte gehen und nur darauf warten, von einer Frau angesprochen zu werden. Einer Frau, die nie im Traum daran gedacht hätte, einen Mann für Liebe zu bezahlen. Einer Frau, die nie von sich selbst geglaubt

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