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Die Gelehrten der Scheibenwelt

Die Gelehrten der Scheibenwelt

Titel: Die Gelehrten der Scheibenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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vermied er es, Studenten besser kennenzulernen, denn er sah in ihnen vor allem einen störenden Faktor im allgemeinen Universitätsleben.
    »Worin bestand denn deine Absicht … Junge?« fragte er.
    »Äh … Ich wollte die große Gaskugel treffen, Herr. Aber der Felsen flog um ihn herum, Herr.«
    Der Oberste Hirte drehte den Kopf von einer Seite zur anderen – vom Dekan war weit und breit nichts zu sehen. Dann blickte er ins Projekt.
    »Oh, ich verstehe. Die große Kugel. Recht hübsch. Viele bunte Streifen. Wer hat sie konstruiert?«
    Ein Student hob die Hand.
    »Ah, ja … du«, sagte der Oberste Hirte. »Gute Streifen. Bravo. Welche Materialien hast du verwendet?«
    »Ich habe ziemlich viel Eis gesammelt, Herr. Aber dann wurde es heiß.«
    »Im Ernst? Eis wird heiß, wenn man eine Kugel daraus formt?«
    »In einer großen Kugel, Herr.«
    »Hast du Stibbon davon erzählt? Über solche Dinge möchte er Bescheid wissen.«
    »Ja, Herr.«
    Der Oberste Hirte wandte sich an den anderen Studenten.
    »Und warum wirfst du Felsen nach einer großen Gaskugel?«
    »Äh … Weil man für jeden Treffer zehn Punkte bekommt, Herr.«
    Der Oberste Hirte musterte die Studenten und begriff plötzlich. Einmal hatte er den Forschungstrakt für hochenergetische Magie mitten in der Nacht betreten, weil er nicht schlafen konnte, und bei jener Gelegenheit war er dort einem Dutzend oder mehr Studenten begegnet, die sich an HEX’ Tastatur zusammendrängten und Dinge riefen wie: »Ich habe den Rammbock! Ha, friß heißes Öl, Unhold!« Solche Aktivitäten in einem ganz neuen Universum zu entfalten, erschien ihm … nun, unhöflich.
    Andererseits teilte der Oberste Hirte die inoffizielle Ansicht einiger seiner Kollegen, das Überwinden der bisherigen Grenzen des Wissens sei nicht ganz … nun, höflich. Immerhin gab es solche Grenzen aus gutem Grund.
    »Soll das heißen, daß ihr die vom Projekt gebotenen zahlreichen Möglichkeiten des Grenzenlosen und Unendlichen für ein Spiel nutzt?« fragte der Oberste Hirte.
    »Äh … Ja, Herr.«
    »Oh.« Der Oberste Hirte betrachtete die große Gaskugel. Kleine Felsbrocken umkreisten sie. »Na schön … Kann ich es mal versuchen?«

ZEHN
    Die Gestalt der Dinge
    Wenn Zauberer etwas Neues finden, spielen sie damit.
    Ebenso Wissenschaftler. Sie spielen mit derart wilden Ideen, daß sie oft dem gesunden Menschenverstand zuwiderzulaufen scheinen – und dann bestehen sie darauf, daß diese Ideen zutreffend sind, und der gesunde Menschenverstand es nicht ist. Oft vertreten sie ihre Ansicht erstaunlich gut. Einstein hat sich einmal häßlich über den gesunden Menschenverstand geäußert, nämlich daß er dem Unverstand gleiche, doch er ist zu weit gegangen. Die Wissenschaft und der gesunde Menschenverstand hängen zusammen, aber indirekt. Die Wissenschaft ist eine Art Vetter dritten Grades des gesunden Menschenverstandes über zwei Ecken. Der gesunde Menschenverstand sagt uns, wie das Universum den Wesen erscheint, die unsere spezielle Größe, unsere Gewohnheiten und Neigungen haben. Zum Beispiel sagt uns der gesunde Menschenverstand, daß die Erde flach ist. Sie sieht flach aus – abgesehen von Bergen, Tälern und allerlei Buckeln und Mulden … Wenn sie nicht flach wäre, müßten die Dinge herumrollen oder herunterfallen. Dennoch ist die Erde nicht flach. Auf der Scheibenwelt hingegen ist die Beziehung zwischen gesundem Menschenverstand und Wirklichkeit für gewöhnlich tatsächlich sehr direkt. Der gesunde Menschenverstand sagt den Zauberern von der Unsichtbaren Universität, daß die Erde flach sei – und sie ist flach. Um dies nachzuweisen, können sie an den Rand treten, wie es Rincewind und Zweiblume in Die Farben der Magie tun, und zusehen, wie allerlei Dinge im Randfall darüber hinaus verschwinden: »Das Donnern klang jetzt nicht mehr ganz so dumpf. Hundert Meter entfernt tauchte der größte Tintenfisch auf, den Rincewind jemals gesehen hatte, schlug wild mit den Tentakeln und versank wieder in den reißenden Fluten …. Das Ende der Welt rückte näher.« Dann werden sie vom Umzaun aufgehalten, einem zehntausend Meilen langen Netz, das kurz vor dem Rand ausgespannt ist und von Thetis dem Meerestroll bewacht wird – wenn auch nur auf einem kleinen Stück. Und sie können über den Rand spähen: »Die Perspektive verschob sich plötzlich und gewann einen ganz neuen, erschreckenden Aspekt. Der Zauberer sah jetzt den Kopf eines Elefanten, so groß wie einen mittleren Kontinent ….

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