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Die Gelehrten der Scheibenwelt

Die Gelehrten der Scheibenwelt

Titel: Die Gelehrten der Scheibenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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geringerer Umdrehungszahl auseinandergerissen.) Aber ein Neutronenstern ist klein, sein Drehimpuls ist im Vergleich dazu groß, und dreißig Umdrehungen pro Sekunde sind für ihn überhaupt kein Problem.
    Betrachten wir als nützliches Analogon unsere Erde. Wie ein Pulsar rotiert sie um ihre Achse. Wie ein Pulsar hat sie ein Magnetfeld. Das Magnetfeld hat ebenfalls eine Achse, doch die ist von der Rotationsachse verschieden; darum ist der magnetische Nordpol nicht mit dem geographischen identisch. Auf einem Pulsar gibt es auch keinen vernünftigen Grund, warum der magnetische Nordpol mit dem Pol der Rotation übereinstimmen sollte. Und wenn sie nicht übereinstimmen, wirbelt die Achse des Magnetfelds dreißigmal pro Sekunde herum. Ein rasch rotierendes Magnetfeld sendet Strahlung aus, die als Synchrotronstrahlung bekannt ist – und sie wird in zwei schmalen Bündeln entlang der Achse des Magnetfelds ausgestrahlt. Kurzum, ein Neutronenstern sendet zwei Radiostrahlen aus wie der sich drehende Apparat an der Spitze eines Leuchtturms. Wenn man den Neutronenstern also im Radiospektrum betrachtet, sieht man einen kurzen hellen Blitz, wenn der Strahl gerade zum Beobachter herzeigt, und dann praktisch nichts, bis der Strahl wieder herum ist. Pro Sekunde sieht man dreißig Blitze. Genau das hatte Bell bemerkt.
    Wenn man ein Lebewesen von annähernd orthodoxer Konstitution ist, möchte man entschieden keinen Pulsar als Stern haben. Synchrotronstrahlung erstreckt sich über einen breiten Bereich von Wellenlängen, von sichtbarem Licht bis zu Röntgenstrahlen, und Röntgenstrahlen sind der Gesundheit eines Wesens von annähernd orthodoxer Konstitution alles andere als zuträglich. Doch ohnehin hat kein Astronom je ernstlich in Erwägung gezogen, daß Pulsare Planeten haben könnten. Wenn ein großer Stern zu einem unglaublich dichten Neutronenstern kollabiert, wird er doch wohl die ganzen Materiebrocken in seiner Umgebung verschlucken. Oder?
    Eher nicht. 1991 teilte Matthew Bailes mit, daß er einen Planeten entdeckt habe, der den Pulsar PSR 1829–10 umkreise, dieselbe Masse wie Uranus habe und vom Stern etwa so weit entfernt sei wie die Venus von der Sonne. Die bekannten Pulsare sind viel zu weit entfernt, als daß wir Planeten unmittelbar sehen könnten. Man kann jedoch einen Stern mit Planeten erkennen, indem man seine Bewegungen beobachtet. Sterne hängen nicht reglos im Raum; in der Regel scheinen sie irgendwohin unterwegs zu sein, vermutlich infolge der Gravitation durch den Rest des Universums, das klumpig genug ist, um verschiedene Sterne in unterschiedliche Richtungen zu ziehen. Die meisten Sterne bewegen sich ziemlich genau auf Geraden. Ein Stern mit Planeten aber ist wie jemand mit einem Tanzpartner. Während die Planeten ihn umkreisen, schwankt der Stern hin und her. Dadurch wird seine Bahn durchs Weltall eine leichte Wellenlinie. Wenn nun ein großer dicker Tänzer eine winzige federleichte Partnerin herumwirbelt, wird sich der Dicke kaum bewegen, doch wenn die beiden Partner gleich schwer sind, umkreisen sie beide einen gemeinsamen Mittelpunkt. Indem man die Form der Wellenbewegungen untersucht, kann man abschätzen, wie schwer die einzelnen Planeten sind und wie nahe am Stern ihre Bahn verläuft.
    Diese Technik bewährte sich zunächst bei der Entdeckung von Doppelsternen, wo der Tanzpartner ein zweiter Stern ist und die Schwankungen ziemlich ausgeprägt sind, denn Sterne sind weitaus massereicher als Planeten. In dem Maß, wie die Meßgeräte genauer wurden, konnten immer geringfügigere Schwankungen entdeckt werden, also immer kleinere Tanzpartner. Bailes teilte mit, der Pulsar PSR 1829–10 habe einen Tanzpartner von der Masse eines Planeten. Er konnte die Schwankungen der Bahn nicht direkt beobachten, wohl aber die geringfügigen Änderungen, die sie in der Zeitabfolge der Strahlungspulse erzeugten. Die einzige rätselhafte Eigenheit bestand in der Umlaufzeit des Planeten: exakt sechs irdische Monate. Ein ziemlich großer Zufall. Bald stellte sich heraus, daß die angenommenen Schwankungen nicht von einem Planeten verursacht wurden, der den Pulsar umkreiste, sondern von einem weitaus näher liegenden Planeten – der Erde. Die Meßgeräte vollführten die Schwankungen an diesem Ende, nicht der Pulsar am fernen anderen Ende.
    Doch kaum war diese erstaunliche Behauptung eines Pulsar-Planeten ad acta gelegt, meldeten Aleksander Wolszczan und Dale Frail die Entdeckung von zwei weiteren Planeten, die beide den

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