Die Gelehrten der Scheibenwelt
diesem Klumpen endet. Der Klumpen verdichtet sich weiter, seine Gravitationsenergie wird in Wärmeenergie umgewandelt, und die Temperatur steigt rasch an. Wenn die Temperatur hoch genug ist, werden Kernreaktionen gezündet: Aus dem Klumpen ist ein Stern geworden. Während dies geschieht, stößt das Material in der Scheibe immer wieder zufällig zusammen, ganz wie es sich Kant vorstellte, und ballt sich auf eine nicht besonders gut geordnete Weise zusammen. Manche Brocken werden in äußerst exzentrische Umlaufbahnen gestoßen oder aus der Ebene der Scheibe hinausgetragen, die meisten jedoch verhalten sich gesitteter und verwandeln sich in anständige, vernünftige Planeten. Eine Miniaturausgabe desselben Vorgangs kann die meisten der Planeten mit Monden versorgen.
Auch die Chemie kommt hin. Nahe der Sonne werden diese entstehenden Planeten sehr heiß – zu heiß, als daß sich festes Wasser bilden könnte. Weiter draußen – bei einer Staubwolke, die sich für die Entstehung unseres Sonnensystems eignet, etwa bei der Bahn des Jupiter – kann Wasser zu festem Eis gefrieren. Dieser Unterschied ist wichtig für die chemische Zusammensetzung der Planeten, und wir sehen die Grundzüge, wenn wir uns auf nur drei Elemente konzentrieren: Wasserstoff, Sauerstoff und Silizium. Wasserstoff und Sauerstoff sind nämlich die beiden häufigsten Elemente im Universum, abgesehen von Helium, das nicht an chemischen Reaktionen teilnimmt. Silizium ist weniger häufig, kommt aber doch ausreichend vor. Wenn sich Silizium und Sauerstoff verbinden, bekommt man Silikate – Gesteine. Doch selbst wenn der Sauerstoff alles vorhandene Silizium binden kann, bleiben noch etwa 96% des Sauerstoffs frei, und er verbindet sich mit Wasserstoff zu Wasser. Es gibt soviel Wasserstoff – tausendmal mehr als Sauerstoff –, daß praktisch der ganze Sauerstoff, der nicht zur Gesteinsbildung beiträgt, im Wasser gebunden wird. Daher ist Wasser die bei weitem häufigste chemische Verbindung in der sich verdichtenden Scheibe.
Nahe bei dem Stern ist das Wasser flüssig, sogar Dampf, doch in der Entfernung des Jupiter ist es festes Eis. Man kann eine Menge feste Masse zusammenbringen, wenn man in einer Gegend kondensiert, wo sich Eis bilden kann. Daher sind die Planeten dort größer und – zumindest für den Anfang – eisig. Näher bei dem Stern sind die Planeten kleiner und felsig. Doch nun können die großen Jungs ihren ursprünglichen Gewichtsvorsprung noch weiter ausbauen. Alles, was die zehnfache Masse der Erde oder mehr hat, kann die beiden häufigsten Elemente der Scheibe, Wasserstoff und Helium, anziehen und festhalten . Also saugen die großen Kugeln riesige Mengen zusätzlicher Masse in Form dieser beiden Gase auf. Sie können auch Verbindungen wie Methan und Ammoniak halten, die näher am Stern flüchtige Gase sind.
Diese Theorie erklärt ziemlich viel. Sie kommt mit allen Haupteigenschaften des Sonnensystems recht gut zurecht. Sie läßt die ausgefallenen Bewegungen zu, aber nicht zuviel davon. Sie stimmt mit den Beobachtungen von kondensierenden Gaswolken in fernen Regionen des Alls überein. Sie ist vielleicht nicht vollkommen, und ein paar zusätzliche Argumente könnten notwendig sein, um sonderbare Dinge wie den Pluto zu erklären, doch die meisten wichtigen Züge fügen sich hübsch passend ein.
Es dürfte auch wahrscheinlich sein, daß eine große Anzahl von Planeten ohne einen Zentralstern existiert. 2000 hat eine Gruppe unter der Leitung von Rafael Rebolo isolierte große Planeten beobachtet. Eine Durchmusterung des Sigma-Orionis-Haufens nach solchen Himmelskörpern zeigt, daß sie um so zahlreicher werden, je kleiner sie sind. Wenn diese Beziehung bis hinab zu erdgroßen Körpern (die für eine Beobachtung mit gegenwärtigen Methoden zu klein sind) bestehen bleibt, dann ist die Galaxis mit ›isolierten Planeten‹ übersät. Zum Beispiel gibt es im Umkreis von 30 Lichtjahren um die Erde wahrscheinlich Hunderte davon. Wenn sich aber kein Stern in der Nähe befindet, haben wir keine Möglichkeit, sie direkt zu beobachten. Es gibt dann keinen Stern, der leicht schwanken könnte, kein Licht, das schwächer wird, wenn ein Planet dazwischengerät, und die Planeten selbst reflektieren nur fernes Sternenlicht, viel zu schwach, als daß man es von hier aus sehen könnte. Die herkömmliche Theorie der Planetenentstehung, wonach sich ein Stern und das ihn begleitende Planetensystem gemeinsam bilden, kann für solche Welten nicht
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