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Die Geliebte des Gelatiere

Die Geliebte des Gelatiere

Titel: Die Geliebte des Gelatiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Zahno
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Schokoladenröllchen und einer Reihe von Margeriten. Michele entschied sich für die Frucht-Nuss-Eisbombe mit Maraschinokirschen, serviert an einer karamellisierten Rumsauce.
    Wir tranken Champagner, kosteten die deliziösen Gelati und konnten unser Glück noch immer nicht fassen. In der Schule war alles vorgespurt gewesen, man hatte nur den vorgegebenen Weg gehen müssen und war durchgekommen. Hier aber hatte ich zum ersten Mal selbst die Entscheidung getroffen, welchen Weg ich gehen wollte, hatte trotz Warnungen alles geplant, vorbereitet und durchgezogen.
    Das Vanille-Gelato zerging auf meiner Zunge, und aus dem Eis stieg eine Erinnerung auf: Noemi. Ich aß das Eis und spürte ihre Hand auf meiner heißen Stirn. Viele Male hatte ich Vanilleeis gegessen, seit ich sie zum letzten Mal gesehen hatte, und es hatte mir nie etwas gesagt, ich hatte es in Pippos Gelateria tausende Male in Becher und Waffeln gefüllt, hatte es dauernd vor Augen, und es hatte nichts ausgelöst in mir, die Erinnerung war versunken, verlaufen, hatte sich in nichts aufgelöst, jetzt aber, als ich das Vanilleeis auf der Zunge spürte und den Geschmack wiedererkannte, wie ich ihn damals geschmeckt hatte, war es, als ob Noemi mit mir auf der Terrasse wäre, als ob sie mit ihren strahlenden Augen und ihrer ganzen Zerbrechlichkeit da säße und mich anblickte, und ich sah die weiß-blau gestreiften Leibchen der Gondolieri und die Spiegelungen des Lichts im Wasser, und alles in mir war geweckt und in Bewegung.
    »Ist dir nicht gut?«, fragte Michele besorgt. »Du siehst so bleich aus.«
    »Nein, nein, es geht schon«, sagte ich. »Aber ich glaube, ich muss ein wenig allein sein.«
    Michele hatte von seinem Vater zur Feier des Tages ein paar große Scheine erhalten. Er bezahlte. An meinen Vater dachte ich nicht. Das hatte noch Zeit bis zum Abendessen. Ich wollte mir jetzt nicht überlegen, wie ich ihm das Ganze erklären sollte. Ich schlenderte ein wenig durch die Gassen, durch die ich mit Noemi gegangen war, suchte die Orte an den Fondamente Nuove auf, wo wir gesessen und in die Lagune hinausgeblickt hatten. Ich fragte mich, wo sie jetzt war, was sie tun mochte, was aus ihr geworden war. Ich fühlte Schmerz in der Brust. Mein Bauch krampfte sich zusammen. Traurig trottete ich nach Hause. Ich war mir sicher, dass ich nie glücklich würde.
    Zu Hause traf ich auf meine Mutter, die gerade von ihrer Arbeit in der Via Garibaldi zurückgekommen war. Sie fand, ich sähe deprimiert aus. Ich sagte, ich sei überhaupt nicht deprimiert. Und berichtete ihr, dass ich den Brief vom Ministero della Difesa erhalten hätte und nicht einrücken müsse. Die Ärzte hätten mich für untauglich erklärt. Ich wusste, dass ich ihr das ohne Weiteres sagen konnte. Sie freute sich und war allein schon wegen des Waschens froh, dass ich nicht ein Jahr lang durch Schlamm robben musste. Ihre Erleichterung war so groß, dass meine Traurigkeit auf der Stelle verflog.
    Dann kam mein Vater nach Hause. Er hatte einen langen, harten Tag auf dem Vaporetto hinter sich. Nachdem er sich frisch gemacht hatte, erzählte er, wie ihm begriffsstutzige Touristen ständig Verspätungen eingebrockt hätten. Offenbar hatten diese immer dort gestanden, wo man ein- und ausstieg, statt sich ins Innere des Bootes zu verziehen. Bei jeder Anlegestelle hätten sie alles blockiert. Und irgendein Japaner habe sich an den Tauen die Handgelenke aufgeschlitzt, weil er nicht auf den Lotsen gehört habe. Wegen dieser Idioten sei er stets auf dem letzten Zacken gefahren. Immer hinter dem Fahrplan, immer unter Druck. Am Schluss hatte er wegen dieser Kindsköpfe eine halbe Stunde länger arbeiten müssen.
    Meine Mutter schöpfte die Pasta e fagioli aus dem Topf und reichte uns die Teller. Zu dritt saßen wir um den Tisch und aßen die Bohnensuppe. Mein Vater war ziemlich gereizt. Nichts hasste er mehr, als wenn er den Fahrplan nicht einhalten konnte und am Ende Überstunden machen musste. Meine Mutter schöpfte uns nach. Das Essen schien ihm gutzutun.
    »Und, ist der Bescheid gekommen?«
    Er tunkte das Brot in die Suppe und schaute mich neugierig an. In seinem Ton lag Erwartung.
    »Ja«, sagte ich beiläufig.
    Mein Vater legte den Löffel neben den Teller. Seine Augen begannen zu leuchten, seine Miene hellte sich auf, der Ärger des Tages war mit einem Schlag weggefegt.
    »Welche Einheit?«
    Ich schaute ihn an, seine wasserblauen Augen, die dichten Brauen. Ich sah, wie er fast platzte vor Neugier, wie es ihm fast

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