Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition)
Vater ihn zu Su-Ling schickte.
Sie selbst war knapp zwanzig und bereits sehr erfahren. Shenzong hatte gar
keine andere Wahl, als ihr zu verfallen. Er begehrte Su-Ling vom ersten Moment
an und fand größten Gefallen an ihren Liebeskünsten. Den Gedanken, sie mit
anderen Männern zu teilen, fand er unerträglich und so bat er seinen Vater,
Su-Ling ins Haus der Frauen aufzunehmen. Der weigerte sich, doch mit
seiner Absage bewirkte er nur, dass Shenzong als eine seiner ersten
Amtshandlungen als Kaiser Su-Ling unter Cheng-Sis Aufsicht stellte. Su-Ling
hatte für den Rest ihres Lebens ausgesorgt…
„Das ist vor etwa einem Jahr gewesen“, schloss
Su-Ling ihre Erzählung.
Neugierig hatte ich zugehört und große Augen bekommen
angesichts der Erzählungen über die Mädchen der Liebe. Ich hatte bisher
von all dem keine Ahnung gehabt und bekam nun das Gefühl, Su-Ling könne mir das
von der Nasenspitze ablesen.
„Du weißt nicht viel über Männer, nicht wahr?“,
schmunzelte die dritte Nebenfrau des Kaisers.
Beschämt presste ich die Lippen zusammen und
blickte auf den Boden.
Su-Ling erhob sich und ließ sich schwerfällig
neben mir in die Kissen fallen. Interessiert fragte sie: „Weißt du, wie ein
Mann aussieht?“
Ich sah mich um und vergewisserte mich, ob jemand
zuhören konnte. Dann flüsterte ich tonlos: „Ich weiß, wie Pferde aussehen.“
Su-Ling verschluckte sich beinahe erneut an ihrem
Lachen und mein Gesicht schien wieder zu glühen.
„Pferde?“, entfuhr es ihr. „Um Himmels Willen.
Nimm bitte nicht einen Hengst als Vorbild! Das hat mit einem Mann wenig
gemein, auch wenn dir der eine oder andere weismachen will, er habe einen
ähnlichen Schwanz! Glaub mir, den haben sie nur in ihren Träumen!“ Su-Ling
kicherte in sich hinein und fuhr mit ihrem Verhör fort. „Du hast also noch nie
einen Mann gesehen ?“
Aus dieser Befragung würde ich wohl nicht herauskommen
und so entschied ich mich für die Wahrheit: „Ich habe vor ein paar Monaten den
Stallburschen meines Vaters überrascht, als er sich – hm...“ Mitten im Satz
brach ich ab, zog die Schultern hoch und wurde verlegen.
„Sich befriedigte?“, schloss Su-Ling wie
selbstverständlich. „Hast du ihm geholfen?“
Entsetzt riss ich beide Augen weit auf. „Wie
bitte? Aber nein! Was denkst du von mir? Nie im Leben hätte ich...“ Hatte
Su-Ling den Verstand verloren?
„Es hätte ja sein können!“ Kurz schwieg sie – offensichtlich
betroffen. Dann ging die Befragung weiter. „Hat er dir gefallen?“
„Wer?“
„Der Stallbursche, wer denn sonst?!“
Mir war diese Unterhaltung zutiefst unangenehm und
ich zuckte mit den Schultern. Hatte mir der Anblick von Hun Jian gefallen? Da
war nicht viel Zeit gewesen, ihn zu betrachten, weil er mich ja gleich entdeckt
hatte; gegrinst hatte er, daran erinnerte ich mich noch und ich war aus dem
Stall gerannt.
„Ich habe kaum etwas gesehen.“ Das war die
Wahrheit und ich hoffte, dass dieses Gespräch bald ein Ende finden würde. Su-Ling
merkte das und ließ von dem Thema ab.
***
„Ich habe kaum etwas gesehen“, hatte Min-Tao
gesagt und Su-Ling schüttelte den Kopf, als sie vor dem Schlafen gehen an die
Unterhaltung des Nachmittags dachte.
Meine Güte, was war dieses Mädchen verkrampft. Su-Ling
fand es wirklich bedauerlich, dass es kein Pendant zur männlichen Einweihung in
die Liebeswelt gibt. Es würde vielen Frauen nur gut tun, wenn man ihnen ihre
Möglichkeiten zeigte.
Insgeheim nahm sie sich vor, Min-Tao auf ihre
erste Erfahrung vorzubereiten. Su-Ling kannte den Kaiser in- und auswendig und
wusste, dass dieser sich kaum zügeln oder gar Rücksicht auf eine Jungfrau
nehmen würde. Bis jetzt hatte er Min-Tao noch nicht zu sich gerufen. Es blieb
bestimmt noch ein wenig Zeit, das Kind aufzuklären.
Doch in diesem Punkt sollte sich Su-Ling täuschen.
4 Das Ende der Jungfernschaft
Ein
paar Tage, nachdem ich mich mit Su-Ling unterhalten hatte, erschien Cheng-Si in
meinen Gemächern und fragte mich, ob ich zurzeit Blutungen hätte.
„Nein“,
antwortete ich wahrheitsgemäß, obwohl mir die Frage unsagbar peinlich war!
„Dann
komm bitte mit.“
Vor
dem Haus der Frauen warteten bereits Diener mit Tragen, die uns in den
Hauptpalast bringen sollten. Freilich wäre ich lieber selbst gelaufen, aber das
schickte sich ja nicht.
Vor
einer Schiebetür machten die Männer schließlich Halt und ließen uns wieder ab.
Cheng-Si zog an einem Seil und die Tür öffnete sich
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