Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition)
diente. Man
konnte an den Seiten Tücher herunterlassen und es gab viele Kissen in hellen,
freundlichen Farben wie Gelb, Hellblau, Mint und Rosa. Direkt am Ufer stand
eine Bank, auf der man Platz nehmen und genau auf den Teich sehen konnte.
Zufrieden setzte ich mich nieder und ließ meinen Blick über die Wasseroberfläche
schweifen. Da waren Goldfische zu sehen, die behäbig mit ihren dicken Leibern
durch das Wasser glitten, als bestünde es aus Gel. Wenn sie allerdings eine
Fliege an der Wasseroberfläche entdeckten, die ihnen schmackhaft erschien,
wurden aus den trägen Fischen plötzlich flinke Tiere, die mit einem Satz in die
Luft das Insekt verschlangen und dann laut platschend zurück ins Wasser fielen.
Ich musste lachen.
Nach ein paar Minuten des Verweilens machte ich
mich wieder auf den Rückweg. Fürs erste hatte ich genug gesehen. Ich würde noch
so viel Zeit haben, all das Schöne des Gartens zu entdecken und wollte mir den
Rest für später aufheben.
Zurück im Haus der Frauen gesellte ich mich
wieder zu den anderen Frauen, die noch immer beisammen saßen und sich unterhielten.
Auf Dauer musste das Leben hier doch ziemlich langweilig sein und ich war froh,
der Eintönigkeit durch gelegentliche Spaziergänge entkommen zu können.
Bald stellte ich fest, dass Su-Ling neben Shinlan
zu den Ältesten unter den Frauen zählte. Während Shinlan bereits von Kindheit
an an Shenzongs Seite lebte, war Su-Ling erst später dazu gekommen. Ihre
Geschichte erfuhr ich, als Su-Ling eines Tages ziemlich müde in einem Eck saß
und vor sich hin döste. Schüchtern hatte ich mich neben sie gesetzt und sie
interessiert angesehen.
„Warum schaust du mich so an?“, fragte Su-Ling mit
geschlossenen Augen.
„Woher weißt du, dass ich dich ansehe?“ Ertappt
errötete ich.
Su-Ling öffnete ein Auge und lachte. „Tust du es
etwa nicht?“
Ich musste ebenfalls lachen.
„Was willst du wissen?“ Su-Ling schloss das Auge
wieder. „Du kannst mich alles fragen.“
Ich räusperte mich. „Wie kommt es, dass du hier
lebst? Bist du auch eine Großcousine des Kaisers?“
Su-Ling öffnete wieder ein Auge. „Wie bitte?“,
platzte sie belustigt heraus. „Eine Großcousine des Kaisers? Nein, bewahre!“
Sie konnte vor lauter Lachen kaum sprechen und ich kam mir etwas albern vor.
Su-Ling öffnete das zweite Auge und musterte mich. „Entschuldige, ich wollte
dich nicht auslachen. Aber ich dachte, du kennst meine Herkunft.“
„Nein“, schüttelte ich den Kopf, „ich weiß nicht
viel über dich.“
Su-Ling richtete sich auf: „Ich bin eine Liebesfrau gewesen.“
Eine was?, fragte ich mich, schwieg aber lieber.
„Weißt du nicht, was das ist?“ Su-Ling rollte mit
den Augen. „Herrje – du bist nicht nur unberührt, sondern auch noch völlig
unwissend.“ Sie schnalzte bedauernd mit der Zunge. „Hat dich deine Mutter gar
nicht auf ein Leben als Frau vorbereitet?“
„Ich fürchte, meine Mutter glaubte, sie hätte dazu
noch etwas mehr Zeit.“ Mein Gesicht fühlte sich heiß an, so beschämt war ich
von Su-Lings Direktheit.
„Nun gut, das Nötigste kann ich dir auch erzählen.
Aber du wolltest meine Geschichte hören.“ Und Su-Ling begann zu
erzählen...
Su-Ling war schon als Jugendliche sehr schön gewesen
und viele Männer hatten sich nach ihr umgesehen. Doch sie war nicht aus der
gehobenen Schicht und hatte keine allzu großen Perspektiven. Eines Tages war
sie Dan-Ai, der Hausdame des kaiserlichen Hauses der Liebe aufgefallen.
Dies war ein kleiner Bereich hinter den Palastmauern, in dem Frauen ausgebildet
wurden, dem Mann das Liebesspiel so schön wie möglich zu machen. Zu einer
gesunden Seele gehörte ein gesunder Körper und es war wohl landläufig bekannt,
dass ein Körper nicht nur durch gesunde Nahrung im Gleichgewicht gehalten
wurde. So war Su-Ling zu Dan-Ai gekommen. Die Mädchen aus dem Haus der Liebe wurden streng getrennt von denen im Haus der Frauen . Bis heute hatte ich
nichts von ihnen gewusst.
Su-Ling jedenfalls hatte Gefallen an ihrem Körper
gefunden und daran, den Männern zu gefallen und diese zu verwöhnen. Sie hatte
sich als sehr lehr- und einfallsreich entpuppt und war bei den Männern sehr
beliebt. Eines Tages hatte man sie mit der Aufgabe betraut, des Kaisers Sohn in
die Welt der Männer einzuführen. Die Söhne der Oberschicht wurden von je her zu
Liebesmädchen geschickt, um erste Erfahrungen zu sammeln. Shenzong war damals
ungefähr vierzehn Jahre alt gewesen, als sein
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