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Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition)

Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition)

Titel: Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Pilastro
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seinem Teller auf und so erspähte ich nur seine Augenbrauen und die
dichten Wimpern. Er war vielleicht etwas älter als der Kaiser, doch mir fehlte
die Erfahrung, sein Alter genauer einzuschätzen. Er sah aus, als habe er schon
viel erlebt und die Art und Weise, wie er sein Können dargeboten hatte, zeigte
sogar mir, die davon gar keine Ahnung hatte, dass er gut war in dem, was
er tat. Er wird nicht ohne Grund diese Aufgabe erhalten haben, dachte ich.
    „Gefällt er dir?“ Shinlan stupste mich an.
    „Er gefällt jeder hier im Raum!“, wich ich ihrer
Frage aus.
    „Ich will wissen, ob er dir gefällt.“
    Ich sah kurz auf und genau in diesem Moment traf
sich mein Blick mit dem des jungen Heerführers. Der Moment schien eine Ewigkeit
zu währen.
    Unterbrochen wurde er durch ein Klatschen. Der Kaiser
sah das Essen als beendet an und erhob sich. Alle anderen im Saal erhoben sich
ebenfalls und begaben sich hinaus. Der Kaiser wollte nun den Vollmond
betrachten.
     
    ***
     
    Diener hatten bereits im Garten alles vorbereitet,
damit sich die feiernde Gesellschaft auf Decken und Kissen niederlassen konnte.
Für den Kaiser hatte man seinen Gartenstuhl aufgestellt, so dass er immer über
allen anderen saß.
    Bao hatte sich zurückziehen wollen, aber Wang
Anshi hatte ihm nahe gelegt, zu bleiben. Und ein klein wenig wollte er es
selbst, seit er die junge Frau am anderen Tisch erblickt hatte.
    „Du bist ein Narr!“, schalt er sich. „Zweifelsohne
ist sie eine der Frauen des Kaisers!“
    „Vielleicht ist sie es nicht“, sprach ein anderer
Teil in ihm.
    „Aber mit hoher Wahrscheinlichkeit!“
    Dennoch ging er mit hinaus.
     
    Die Frauen in der Gartengesellschaft nutzten die
Gelegenheit, einigermaßen offen mit den männlichen Gästen des Kaisers sprechen
zu können. Bao kristallisierte sich sehr schnell als der favorisierte
Gesprächspartner heraus, so dass er bald von vielen Frauen umringt war.
    Eine aber fehlte, wie er sehr schnell erkannte. Wo
war die junge Frau geblieben, die er zuvor am Tisch erblickt hatte? Sie hatte
ihn nicht angegafft wie all die anderen Frauen, die sich nun um ihn scharten.
Er blickte verstohlen zum Kaiser hinüber, ob man ihm schon Ärger bezüglich
dieser weiblichen Bewunderung anmerken konnte.
    Doch Wang Anshi hatte ihn in ein Gespräch verwickelt.
Der alte Mann blickte auf und zwinkerte Bao zu.
    Mach dir keine Gedanken, es ist alles in Ordnung!,
schien dieser Blick zu sagen. Laut sagte Wang Anshi: „Mein Kaiser. Seht Euch
Eure Frauen an, wie sie den jungen Bao umschwirren wie Motten das Licht!“
    Die Ehrwürdige Frau Suan-Jen fiel ihm ins Wort:
„Was kann man von neugierigen Hühnern schon anderes erwarten?!“ Sie selbst
schien gelangweilt von dieser Runde und vom Kanzler. Bao hatte gehört, wie sie
Wang Anshi einen dicken, alten Mann genannt hatte, der ihre Nerven mit seiner
bloßen Anwesenheit stark strapazierte.
    „Nun, meine Erfahrung hat mich gelehrt, dass
Frauen stets ein Gespür dafür entwickeln, wo es die aufregendsten Geschichten
zu hören gibt“, brachte der Kanzler seinen Satz zu Ende und drehte der
Hauptfrau den Rücken zu. Er machte keinen Hehl aus seiner Abneigung ihr gegenüber,
nachdem sie die ihre ihm gegenüber ebenfalls offen zur Schau trug. Er
richtete seine Worte wieder an den Kaiser. „Vielleicht haben wir das weibliche
Interesse an Kriegskunst und Abenteuer unterschätzt?“
    Suan-Jen stöhnte genervt auf.
    Der Kaiser sah sie an, dann seinen Kanzler und
schien hin- und hergerissen zwischen dem Konflikt der beiden und der
Überlegung, wie ernst er die Worte bezüglich des jungen Mannes zu nehmen hatte.
    Bao spürte des Kaisers Blick auf sich.
    Die Gesellschaft hielt den Atem an und alles
wartete auf die Reaktion des Kaisers. Dieser brach schließlich in Gelächter
aus: „Mein lieber Kanzler! So gut kennt Ihr die Frauen.“ Er tätschelte seiner
Frau die Wange, als wäre sie ein kleines Kind, und beendete das andere heikle
Thema mit einer Geste in Richtung Hofdichter.
    Yu Shang, der kaiserliche Philosoph – ein
zierliches, viel zu dünnes Männlein – trat vor, und alle richteten ihre volle
Aufmerksamkeit auf ihn. Er wirkte so zerbrechlich, als fände er nie Zeit zu
Essen, sondern würde jede freie Minute der Poesie widmen. Die Arme waren einen
Hauch zu lang und das Gesicht leicht eingefallen. Eigentlich war er ein
grotesker Anblick. Doch er stand konzentriert, mit geschlossenen Augen vor
seinem Publikum, verbarg seine Hände in seinen weiten Ärmeln und gab

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