Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition)
den beiden anderen Marschällen eine eher ungeordnete
und wenig disziplinierte Ansammlung von Kämpfern gebildet hatten. Jetzt aber
schienen die Soldaten eine ausführliche und umfassende Kampfausbildung zu
erhalten.
„Bao Sen-Ho! Es erfreut mein Herz, zu sehen,
welche Fortschritte mein Heer unter deiner Führung macht. Ich bin sehr
zufrieden.“
Der junge Mann sah seinen Kaiser an und antwortete
auf dieses große Lob mit einer tiefen Verbeugung.
„Mein treuer Diener“, fuhr Shenzong fort, „ich bin
sicher, du wirst erfolgreich sein. Deine Darbietung heute hat deutlich gezeigt,
wie die Stärke meines Heeres stetig wächst.“ Er legte nun ein Lächeln auf:
„Doch heute feiern wir ein Fest und auch für dich sollte es Zeit für die Muße
geben. Ich lade dich herzlich ein, mit mir und meinen Gästen zu speisen.“
Shenzong hob die rechte Hand und das war das Zeichen, sich zu den Tischen zu
begeben.
Ein Diener war herbei geeilt, um ein weiteres
Gedeck aufzulegen. Bao blieb gar nichts anderes übrig, als sich der Gesellschaft
anzuschließen und Platz zu nehmen. Er drehte sich zu seiner Gruppe, verneigte
sich vor ihnen, diese antworteten in gleicher Weise und gingen in geordneten
Reihen ab. Bao wandte sich wieder seinem Herrscher zu und nahm an der Seite
Platz.
Die feiernde Gesellschaft dinierte an drei
Tischen. In der Mitte stand – deutlich erhöht gegenüber den anderen Tischen –
der kaiserliche Tisch, an dem der Kaiser mit Suan-Jen saß.
Shenzong beachtete die Ehrwürdige Hauptfrau kaum,
ließ lieber seine Blicke über seine Familienangehörigen und Gäste schweifen.
Die Plätze rechts und links des Kaiserpaares waren leer, denn sie waren den
verstorbenen Ahnen vorbehalten. Rechts des Haupttisches befand sich der der
Frauen. Hier saßen alle Nebenfrauen sowie die Frauen der Gäste. Die Männer
nahmen gegenüber Platz, zur linken des Kaisers.
Bao hatte seinen Platz neben Wang Anshi, seinem
Mentor. „Du hast gute Arbeit geleistet, junger Bao! Ich bin beeindruckt.“
„Wir stehen noch am Anfang!“
„Der Kaiser erkennt den Fortschritt! Und was der Kaiser von dir hält, ist das Wichtigste!“ Wang Anshi steckte sich einen kleinen Happen
vom gebratenen Fasan in den Mund.
Bao widmete sich ebenfalls seinem Essen.
***
„Sieht er nicht umwerfend aus?“ Shinlan
beobachtete den jungen Bao am anderen Tisch, während dieser aß. „Viel besser
als Mi Kejian!“
„Shinlan! Sprich etwas leiser! Wenn dich der
Kaiser hört! Es ziemt sich nicht, über andere Männer zu sprechen.“ Cheng-Si
warf einen tadelnden Blick in die Runde.
Shinlan, die neben mir saß, senkte beschämt den
Kopf.
Su-Ling beugte sich zu uns herüber und raunte mir
lächelnd zu: „Es ziemt sich nicht, solange der Kaiser in der Nähe ist.“
Verschämt starrte ich auf mein Essen. Hunger hatte
ich keinen.
***
„Du fällst auf!“ Wang Anshi stieß seinen Schützling
leicht in die Seite.
Bao blickte von seinem Teller auf, bemerkte die
vielen Damen am gegenüberliegenden Tisch und richtete seine Aufmerksamkeit
wieder auf seinen Teller.
Sein Tischnachbar lachte: „Oh, du hast wohl nicht
viel übrig für Frauen?“
„Nicht, wenn es sich dabei um die Frauen des
Kaisers handelt. Ich habe viele Privilegien hier am Hof, aber dazu gehört
sicherlich nicht, den verbotenen Frauen schöne Augen zu machen!“
Bao schob sich eine weitere gedünstete Morchel in
den Mund, stur den Blick auf sein Essen gerichtet.
Wang Anshi betrachtete ihn von der Seite. „Aber es
gibt noch andere Frauen am Hof. Soweit ich gehört habe, hast du auch an denen
kein Interesse. Besteht dein Leben nur aus Training?“
„ Dafür wurde ich an den Hof geholt!“ Bao
deutete auf seine Muskeln. „Dafür und für nichts anderes. Ich nehme meine
Arbeit ernst! Meine Ausbildung hat mich gelehrt, was im Leben zählt. Frauen
lenken einen Kämpfer nur unnötig ab.“ Er war überzeugt von seinen Worten,
spürte aber sehr wohl die Blicke der Frauen von der anderen Seite des Raumes.
***
Die ganze Zeit hatte ich es vermieden, von meinem
Teller aufzusehen. Alle Frauen am Tisch hatten zu dem jungen Mann gestarrt –
anders konnte man es gar nicht beschreiben. Es war ein Wunder, dass es dem
Kaiser noch nicht aufgefallen war. Doch der war viel zu sehr mit seinen
männlichen Gästen beschäftigt, die einzeln an seinen Tisch herantraten und
jeweils einige kurze Worte an ihn richten durften.
Verstohlen blickte ich hinüber. Dieser Bao sah
kaum von
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