Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition)
du nur Kriegskunst und
körperliche Ertüchtigung im Kopf hast.“ Der Alte hielt kurz inne. „Ich bleibe
dabei: Ich habe deinen Blick gesehen! Auch wenn du es abstreitest – was ich
durchaus verstehen kann – lass dir gesagt sein: Sie gehört zwar nicht zu
seinen Favoritinnen, aber sie bewohnt das Haus der Frauen !“
„Ich weiß nicht, wen Ihr meint!“ Bao sah
hartnäckig in die Nacht hinaus. Innerlich aber jubelte sein Herz, was sein
Verstand mit Erstaunen und Verwunderung registrierte: Nicht seine Favoritin! –
Sein Gewissen meldete sich: „Das macht keinen Unterschied! Sie ist eine
verbotene Frau!“
Das waren auch die Abschiedsworte von Wang Anshi
gewesen.
8 Im SChutze einer Thujenhecke
Dongjing, Frühling 1070
Der Winter war ohne größere Ereignisse vorüber gegangen
und der Frühling noch jung, als ich meinen ersten längeren Spaziergang durch
den Garten machte. Während der kalten Tage des Winters waren wir fast
ausschließlich im Haus der Frauen geblieben und man merkte, dass wir
einander langsam aber sicher auf die Nerven gingen. Größere Spaziergänge kamen
ja für die meisten aufgrund ihrer Füße nicht in Betracht und so war ich aus
Solidarität im Haus geblieben, auch wenn ich die Bewegung an der frischen Luft
vermisste. Doch nun, nach so langer Zeit, hatte ich es nicht mehr ausgehalten
und war hinausgegangen.
Die langen, dunklen Tage des Winters waren
langweilig gewesen. Die anderen Frauen sahen eine Abwechslung in den
nächtlichen Zusammenkünften mit dem Kaiser, aber ich war froh um jedes Mal,
dass ich um diese Pflicht herumkam. Nachdem der Kaiser mich zur Frau gemacht hatte,
war ich nur noch wenige Male zu ihm gerufen worden. Offensichtlich fand
Shenzong aufgrund meiner großen Füße tatsächlich keinen besonderen Gefallen an
mir und verzichtete deshalb schon seit geraumer Zeit auf meine Liebesdienste,
worüber ich aus tiefstem Herzen froh war.
Mein fünfzehnter Geburtstag stand bevor. Die
letzten beiden Jahre hatten mich sehr verändert. Ich war nicht mehr das
unbeschwerte Mädchen, doch als Frau mochte ich mich auch noch nicht bezeichnen.
Ich sehnte mich nach einer Partnerschaft, wie ich sie von meinen Eltern kannte.
Davon war ich hier weit entfernt. Das ewige Geplapper der anderen Frauen ging
mir zunehmend auf die Nerven, seit ich ihn gesehen hatte.
Er war mir nicht mehr aus dem Kopf gegangen, der
junge Bao Sen-Ho, obwohl ich ihm seither nicht wieder begegnet war. Aber dieser
eine Augenblick, als sich unsere Blicke getroffen hatten, hatte mich in meinen
Grundfesten erschüttert. Ich konnte ihn nicht aus meiner Erinnerung löschen und
trug diesen Moment seither wie einen kostbaren Schatz in meinem Herzen.
Bao hatte am Hof für einige Schwärmereien gesorgt,
die den Kaiser nach Wang Anshis Äußerungen eher erheiterten denn besorgten.
Doch das Interesse an dem Krieger verflog sehr schnell, und bald herrschte
wieder Ruhe im Haus der Frauen . Von innerer Ruhe war ich jedoch
weit entfernt. Viel zu mächtig waren diese Gefühle und ich ertappte mich
mehrmals dabei, wie ich eine Art stillen Dialog mit diesem jungen Mann führte.
In Gedanken versunken wanderte ich durch den Park.
Ich bemerkte nicht einmal, dass ich mich viel weiter als sonst vom Haus der
Frauen entfernt hatte, und wurde erst wieder aus meinen Tagträumen
gerissen, als ich an einer langen Thujenhecke ankam, die sich vor mir wie eine Mauer
auftat. Scheinbar war hier das Ende des Palastes. Normalerweise hielten sich
die Frauen nicht in diesem Teil des Gartens auf, was vor allem daran lag, dass
sie gar nicht so weit laufen konnten.
Der Wind trug entfernte Rufe von der anderen Seite
der Hecke heran und neugierig folgte ich den Stimmen. Das Klirren von
Schwertern wurde immer lauter, vermischt mit Klackern von Stöcken, Ächzen,
Rufen und Schreien. Aber vor allem glaubte ich seine Stimme heraus zu
hören, wie er seinen Männern Anweisungen, Befehle und Kommentare zurief.
Das Herz schien mir plötzlich gegen den Hals zu
schlagen. Sehen konnte ich nichts, da die Thujen hier sehr dicht gewachsen und
immergrün waren. So stand ich regungslos da und lauschte, während sich vor
meinem geistigen Auge das Bild jenes Abends aufbaute, wie er da gesessen und
gegessen hatte und schließlich den Kopf hob, um mich anzusehen.
Als ich aus meinem kleinen Tagtraum erwachte, bemerkte
ich, wie ich da stand, beide Hände über der Brust zusammengelegt, als wollte
ich mein Herz festhalten und es daran hindern, laut und
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