Die Geliebte des Koenigs
Sharif.
Auch seine Telefonnummer hatte er auf die Karte geschrieben. Doch Jesslyn verbot es sich strikt, von dem freundlichen Angebot Gebrauch zu machen. Er war der älteste Spross einer Familie aus königlichem Geblüt und würde – wie Jamila und Aman ihr erzählt hatten – wahrscheinlich einmal den Thron erben.
Aber er war immer freundlich zu ihr gewesen. Sharif war es auch gewesen, der ihr die Nachricht von Amans Tod überbracht hatte.
Irgendwann rief Jesslyn ihn doch an. Und sie unterhielten sich stundenlang. Zwei Tage später rief er sie an und lud sie zum Essen ein.
Sharif führte Jesslyn in ein kleines italienisches Restaurant aus. Es war eine rustikale Trattoria, in der man einfaches, aber köstliches Essen von einer freundlichen Bedienung serviert bekam. Für Jesslyn war es das Paradies. Sie saß mit Sharif ungezwungen an einem kleinen Tisch, aß und unterhielt sich mit ihm, als wären sie zwei ganz normale Menschen. Sie sprachen über Jamila und Aman, über Griechenland, über das für Ende August ungewöhnlich kühle Wetter. Und am Ende des Abends, als er sie nach Hause brachte, wusste Jesslyn, dass sie ihn wiedersehen würde.
Und so war es auch. Obwohl er der unsagbar reiche, bekannte und umwerfend attraktive Prinz war und sie nur das nette Mädchen von nebenan, sahen sie sich oft. Sie verstanden sich so gut, dass sie bald nicht einmal mehr darüber nachdachten, sondern sich trafen, wann, wo und sooft sie Lust dazu hatten. Es waren zweieinhalb wundervolle Jahre. Zweieinhalb Jahre, bis seine Mutter eine passende Frau für ihn gefunden hatte – eine Prinzessin aus Dubai, die wahrscheinlich ebenso reich und wahrscheinlich genauso attraktiv war wie er.
„Menschen wie deine Schwestern gibt es leider nur sehr wenige auf dieser Welt“, sagte Jesslyn rau. „Sie waren so ungeheuer lebendig und fröhlich …“ Sie versuchte zu lächeln, aber ihre Augen füllten sich mit Tränen. „Sie … sie haben das Leben umarmt, weißt du?“
„Ja, ich weiß“, sagte er leise. Das Motorengeräusch des Jets veränderte sich, und die Flugzeugnase neigte sich langsam nach vorn. „Leg den Sicherheitsgurt an“, bat er sie. „Wir landen gleich.“
Auf dem Rollfeld aufgereiht wartete bereits eine Kolonne von schwarzen Limousinen auf Sharif und Jesslyn.
In weniger als drei Minuten hatten sie den Jet verlassen, saßen im Wagen und verließen das Flughafengelände durch einen separaten Ausgang, der den Mitgliedern der königlichen Familie vorbehalten war. Zügig fuhren sie durch die Stadt in Richtung Palast.
Jesslyn wusste, dass Sadad zu neunzig Prozent muslimisch war, und wunderte sich deshalb, dass die wenigsten Frauen auf der Straße verschleiert waren. Und selbst nach sechs Jahren, die sie bereits in den Vereinigten Arabischen Emiraten verbracht hatte, verblüfften sie die Gelassenheit und Freundlichkeit der Menschen hier immer wieder aufs Neue.
„Man hat immer den Eindruck, dass alle im Urlaub sind“, sprach sie ihre Gedanken laut aus, als der Wagen vor einer roten Ampel hielt.
Sharif nickte. „Sadad wird im Volksmund schon die arabische Costa del Sol genannt.“
„Ist das gut oder schlecht?“, wollte Jesslyn wissen und schaute einer Gruppe Mädchen hinterher, die einander untergehakt hatten und gemeinsam die Straße überquerten.
„Kommt ganz darauf an, wer das sagt. Und in welchem Ton. In den letzten zehn Jahren sind hier entlang der Küste eine erstaunliche Anzahl von Urlaubs- und Freizeitzentren in jeder Preislage errichtet worden – von schlicht und preis günstig bis extrem exklusiv und teuer. Einige Einwohner, wie mein Bruder Zayed, begrüßen diese Entwicklung. Andere, wie zum Beispiel mein Nomadenbruder Khalid, wünschen sich einen Wachstumsstopp.“
„Und wie denkst du darüber?“
„Ich kann beide verstehen. Wirtschaftliche Stabilität ermöglicht es Sadad, Freiheit und Unabhängigkeit von anderen Staaten zu bewahren. Aber stetiges Wachstum fordert auch seinen Preis. Während die Investitionen in den Tourismus unsere Wirtschaft gestärkt haben, leidet die Umwelt. Sanddünen werden zerstört und einige Wildtierarten sind durch die Ausbreitung des Menschen bereits verschwunden.“
„Du hörst dich an wie ein aktiver Umwelt- und Tierschützer.“
„Das muss ich auch. Leider hat mein Vater diesem Aspekt in seiner Regierungszeit keine große Beachtung geschenkt, und ich muss jetzt mit den Konsequenzen leben.“
Der Wagen fuhr durch eine schmale Gasse, die von hohen, mit
Weitere Kostenlose Bücher