Die Geliebte des Koenigs
Jesslyns Anwesenheit zu genießen und sich zu nehmen, was er kriegen konnte. So, wie sie es einst mit ihm getan hatte …
Nachdem Sharif verschwunden war, um den dringenden Anruf anzunehmen, lief Jesslyn nervös in dem sonnendurchfluteten Zimmer auf und ab. Sharifs Worte gingen ihr nicht mehr aus dem Kopf.
Ich denke, wir haben lange genug gewartet.
Was hatte Sharif damit nur gemeint? Worauf hatten sie lange genug gewartet? Ging es vielleicht um seine Kinder? Wünschte er sich, er hätte sie schon viel früher um ihre Hilfe gebeten? Oder …
Jesslyn blieb abrupt stehen und schluckte schwer. Oder spielte er auf etwas viel Persönlicheres an? Etwas, das mit ihnen beiden zu tun hatte?
Nein, das bildete sie sich sicher nur ein! Sharif hatte sie hierher gebracht, damit sie seine Töchter unterrichtete. Weiter nichts.
Trotzdem pochte ihr Herz heftig und ihr war heiß, während sich in ihrem Innern Furcht, Hoffnung und Sehnsucht miteinander vermischten.
Ein leises melodisches Geräusch von der Tür her riss Jesslyn aus ihren Grübeleien. Sie wandte sich um und erblickte eine junge Frau, die ein schweres Tablett in den Händen hielt. Sie war etwa Anfang zwanzig und trug eine abaya , ein typisches Frauengewand.
„Das ist für Sie, Lehrerin“, erklärte sie in gebrochenem Englisch. Vorsichtig trug sie das Tablett mit verschiedenen Speisen, einer Kanne Tee und einer Vase mit frischen Blumen an Jesslyn vorbei zu dem niedrigen Tisch zwischen den bequemen Sofas.
Jesslyns Anspannung ließ ein wenig nach. „Vielen Dank. Das ist sehr freundlich.“
Die junge Frau nickte scheu und wies auf die Teekanne. „Ich schenke ein?“
„Ja, bitte.“ Jesslyn setzte sich auf die Couch und beobachtete die reizende junge Frau. „Wie heißen Sie?“
„Mehta … Lehrerin.“ Sie hockte vor dem Kaffeetisch, lächelte und klopfte sich leicht auf die Brust. Zwei tiefe Grübchen erschienen in ihren Wangen.
Jesslyn konnte nicht anders, als ihr Lächeln zu erwidern. „Und ich bin Jesslyn.“
Mehta nickte eifrig. „Lehrerin Jesslyn.“
„Nein, Jesslyn ist fein – das reicht vollkommen.“
Sie nickte noch heftiger. „Lehrerin Jesslyn Fine.“
Die junge Frau gefiel Jesslyn. Solange sie Mehta ab und zu traf, würde es schon nicht allzu schlimm werden. „Werde ich dich öfter zu Gesicht bekommen, Mehta?“
„Ja, Lehrerin Jesslyn Fine. Ich helfe Ihnen jeden Tag. Mit Baden und Kleiden und Tee. Jetzt einschenken?“
„Bitte.“
Zum köstlich duftenden Tee gab es ein mit Honig getränktes Gebäck, das mit Walnüssen und Pistazien gefüllt war, und die beliebten Dattelplätzchen mit Gries.
Jesslyn leckte sich noch immer gierig den Honig von den Fingerspitzen, als Sharif zurückkam. Als Mehta ihn erblickte, verbeugte sie sich tief und schlüpfte lautlos aus dem Zimmer.
Sharifs versteinerte Miene verriet Jesslyn, dass er nicht besonders glücklich war.
Unwillkürlich straffte sie die Schultern und atmete tief durch, um sich für das zu wappnen, was da kommen mochte.
Doch seine zusammengepressten Lippen deuteten darauf hin, dass er seinen Kummer oder Ärger offenbar nicht mit ihr teilen wollte.
Sie neigte den Kopf und betrachtete ihn. Sie wollte wissen, was in ihm vorging. Worüber machte er sich Sorgen? Ging es um die schulischen Leistungen seiner Töchter oder hatten die Kleinen ganz andere Probleme?
„Es geht um die Mädchen, nicht wahr?“, fragte sie behutsam.
Er nickte widerstrebend. „Ja.“
„Ist ihnen etwas passiert?“
„Nein, es geht ihnen gut.“ Er nahm ihr gegenüber auf der Couch Platz, stützte den Kopf in die Hände und sagte eine ganze Weile nichts mehr. Schließlich ließ er die Hände sinken, holte tief Luft und blickte Jesslyn an. „Sie sind nur nicht hier.“
„Und wann werden sie wieder hier sein?“
Wieder schwieg er. Jesslyn sah, wie er die Hände zu Fäusten ballte.
Was war nur mit ihm los? Passierte das öfter? Oder steckte mehr hinter seiner offensichtlichen Wut? Etwas, das er ihr nicht erzählt hatte?
„Kommen sie erst zum Dinner?“, hakte Jesslyn nach, als er noch immer nicht geantwortet hatte.
Sharif schüttelte den Kopf. „Ich hoffe, sie kommen noch heute Abend, aber wahrscheinlich werden sie erst morgen früh da sein.“
„‚Ich hoffe‘, ‚wahrscheinlich‘“, wiederholte Jesslyn irritiert. „Du redest von deinen Kindern, richtig?“
Abermals erschien dieser frustrierte Ausdruck in seinen Augen. Und abermals schwieg er. Sein Schweigen irritierte sie fast mehr als das, was
Weitere Kostenlose Bücher