Die Geliebte des Koenigs
er gesagt hatte.
„Sharif! Wo sind deine Töchter?“
„Bei ihrer Großmutter.“
„Zulimas Mutter?“
Er schüttelte den Kopf. „Nein. Sie hat bis vor Kurzem noch hier im Palast gewohnt, ist dann aber zu ihrer Familie nach Dubai zurückgegangen, um bei ihrem Sohn zu leben.“
„Also sind sie bei deiner Mutter.“
Sharif nickte.
Jesslyn wandte den Blick nicht von seinem angespannten Gesicht und versuchte, die Puzzleteile für sich zusammenzusetzen. „Warum ist Zulimas Mutter hier ausgezogen? Gab es ein Problem?“
Sharif lachte bitter auf. „Gab es hier jemals kein Problem?“
Seine Worte versetzten Jesslyn einen Stich ins Herz.
„Die beiden Mütter kamen einfach nicht miteinander aus. Es war ein ständiger Kampf – und meine Mutter ist es gewohnt zu siegen.“
Damit erzählte er ihr nichts Neues. Diese Erfahrung hatte Jesslyn selbst vor neun Jahren machen müssen. Sein verstorbener Vater mochte der König von Sadad gewesen sein, aber Sharifs Mutter war unangefochtene Herrscherin im Palast und innerhalb der Familie.
Und sie hatte Jesslyn nie gemocht. Nicht als enge Freundin ihrer Töchter, und schon gar nicht als Freundin ihres ältesten Sohnes …
„Wo halten sich deine Mutter und die Kinder im Moment auf?“, kam sie wieder zum Punkt.
„Sie besitzt ein kleines Haus an der Küste, ungefähr anderthalb Autostunden von hier entfernt. Früher war es das Sommerhaus der Familie, in dem wir häufig die Ferien verbracht haben. Doch jetzt hat sie es für sich allein beansprucht.“ Seine Miene verfinsterte sich. „Heute Morgen ist sie mit den Mädchen hingefahren, und sie sind immer noch bei ihr.“
„Wusste sie denn nicht, dass du heute wiederkommst?“, fragte Jesslyn. Ihrer Ansicht nach war das Leben im Palast schon schwierig genug – auch ohne sich zusätzlich mit Ihrer Hoheit, Königin Reyna Fehz, auseinandersetzen zu müssen. Sie dachte über Königin Reyna nach. Sharifs Mutter war als Bürgerliche in Dubai aufgewachsen. Den Kontakt zum Königshaus hatte sie damals ihrer atemberaubenden Schönheit und nicht zuletzt ihrem schwerreichen Vater zu verdanken.
„Und ob sie das wusste“, gab er gereizt zurück. „Wir haben gestern Abend darüber gesprochen, und heute früh noch einmal. Aber sie tut, was sie will, und schert sich nicht darum, was andere davon halten!“
Jesslyn griff nach einem Seidenkissen und hielt es wie einen Schild vor ihre Brust. „Dann seht ihr sie also häufiger … du und deine Töchter?“
„Jeden Tag. Obwohl sie das Sommerhaus für sich hat, ist der Palast immer noch ihr eigentliches Heim. An die Küste fährt sie eigentlich nur, wenn sie verstimmt ist oder etwas durchsetzen will.“
Es fiel Jesslyn schwer, die Bedeutung seiner Worte vollkommen zu erfassen. Königin Reyna hatte niemals gewollt, dass Jesslyn die Freundin ihrer Töchter war. Daran hatte sie keinen Zweifel gelassen. Aber hier ging es um die Beziehung zwischen einer leidenschaftlichen Mutter und ihrem ältesten Sohn. „Und was, glaubst du, will sie mit dieser Aktion demonstrieren?“
Sharif lachte auf. „Dass sie diejenige ist, die das Zepter in der Hand hält.“
Allmählich wurde ihr einiges klar. „Weiß deine Mutter, dass ich deine Töchter den Sommer über unterrichten soll?“
Sein Zögern war ihr Antwort genug.
Jesslyn seufzte und presste das Kissen noch fester an die Brust. Gequält schloss sie die Augen. „Sie weiß es also nicht …“
„Ich habe ihr nur gesagt, dass ich einen Hauslehrer mitbringen werde.“
Jesslyn öffnete die Augen und warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu. Aber bevor sie etwas sagen konnte, tauchte Mehta mit einem zweiten Tablett auf.
„Tee, Eure Hoheit.“ Sie machte eine tiefe Verbeugung und stellte das Tablett vor Sharif ab.
„Danke, Mehta“, sagte Jesslyn lächelnd. „Ich kann Seiner Hoheit den Tee einschenken.“
„Ja, Lehrerin Jesslyn Fine.“ Mit einer weiteren Verbeugung zog Mehta sich zurück.
„Lehrerin Jesslyn Fine?“, fragte Sharif verwirrt.
Jesslyn schnitt eine Grimasse. „Ich habe Mehta erklärt, dass es reicht, wenn sie mich mit dem Vornamen anredet. Doch ich befürchte, sie hat mich missverstanden. Ich sagte, es wäre fein, dass sie Jesslyn zu mir sagt. Jetzt hält sie Fine für meinen Familiennamen. Und Lehrerin ist mein Titel. Offenbar habe ich für das arme Mädchen alles nur noch komplizierter gemacht.“
Sharif musterte sie aufmerksam und schüttelte dann lächelnd den Kopf. „Du bist eine außerordentlich interessante
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