Die Geliebte des Normannen
allerdings eine Sekunde zu spät. Er hatte ihr den Schleier bereits vom Kopf gezogen.
»Deine Haare sind frisch gewaschen und duften nach Blüten«, murmelte er und schmiegte sich an ihre Wange. Dann richtete er sich auf und musterte sie. »Eigentlich habe ich keinen Zweifel, dass ich unter deinen Kleidern eine ebenso frische und wohlriechende Haut vorfände.«
Mary sprang auf, doch auch dieses Mal kam sie nicht weit. Er fasste ihr Handgelenk und zwang sie sofort wieder auf die Knie und an seine Seite.
»Habe ich recht?«
»Nee! Gar nicht! Ich schwöre Euch ...«
Die Worte blieben ihr im Halse stecken, als sich seine Hand unter ihrer Verkleidung an ihrem Bein hinaufschob, eine Liebkosung seiner harten, schwieligen Hand auf sanfter, nackter Haut. Mary schrie auf, schockiert über die heftige Gefühlsregung, die sie erfasste. Verblüfft blickte sie an ihrem bloßen Bein hinab, von dort, wo ihre Wollsocken an der Wade endeten bis zum Ansatz ihres Schenkels, den er eben entblößt hatte.
»Wie ich es mir dachte«, bemerkte er, nun mit einem veränderten Ton in der Stimme, einem Ton, den Mary trotz ihrer Unerfahrenheit augenblicklich erkannte, bei dem sich jede Faser ihres Körpers zusammenzog und der ihren Puls zum Rasen brachte.
»Ich ... ich kann das erklären«, flüsterte sie verzagt. »Sanft, so sanft und rein«, sagte er, und wieder traf sein Blick den ihren.
Er bedeckte ihre Blöße nicht. Er nahm auch nicht die Hand von ihrem Schenkel, obwohl seine Fingerspitzen ihrer Weiblichkeit gefährlich nahe kamen. Nein, er beugte sich zu ihr, bis sein Gesicht – seine Lippen – ihren Hals berührten.
Mary atmete heftig. Ihre Augen schlossen sich, sein Kuss ließ ihren Körper erbeben wie ein Blitzschlag. Plötzlich schien ihr in der Enge des Zelts die Luft auszugehen. Sein Mund bewegte sich mit wachsender Leidenschaft über die empfindliche untere Partie ihres Halses. Sein Daumen drängte durch ihr Schamhaar ...
Mary konnte sich nicht mehr zurückhalten. Sie stöhnte. Ihr Kopf, eben noch voller feindseliger Gedanken, war mit einem Mal leer, sie hatte für nichts mehr Sinn als für die wunderbaren Empfindungen, die er ebenso gekonnt bei ihr auslöste, wie er einen tödlichen Schwertstreich zu führen imstande war.
Den Mund an ihrem einen Ohrläppchen, einen Daumen am anderen, flüsterte er ihr zu: »Nun, wer seid Ihr, Mylady? Und wichtiger noch – was seid Ihr, wenn nicht ein Spion?«
2
Stephen de Warenne beobachtete, wie sie sich mit einem Schrei des Entsetzens seinem Griff entwand. Er hätte sie nicht mehr schockieren können – es war, als hätte er sie mit eiskaltem Wasser übergossen. Aber sie kam nicht weit. Er hielt sie erneut mit eisernem Griff an den Handgelenken fest und zog sie an sich.
Frauen waren ihm, von zwei Ausnahmen abgesehen, nicht allzu wichtig, aber er war durchaus nicht immun gegen ihre Reize. Und diese hier erschien ihm so vollkommen wie so schnell keine zweite – zumindest, was ihr Gesicht und ihre Figur anbelangte.
Obwohl sie kein gewöhnliches Frauenzimmer war, sondern zweifelsohne eine erfahrene, von seinen Feinden geschickte Kurtisane, die ihn ausspionieren sollte, ließ ihn ihr nacktes Bein, das nun zwischen den seinen eingeklemmt war, keineswegs kalt, ebenso wenig wie ihre an seinen Oberkörper gepressten vollen Brüste oder die erstaunliche Schönheit ihres Gesichts direkt vor dem seinen.
Sein Geschlecht fühlte sich voll und schwer an, ungeduldiges Verlangen erfüllte ihn. Ihre Position war so intim, dass sie jeden Zentimeter von ihm spürte, aber wollte sie ihn nicht ohnehin verführen? Warum sonst würde man eine solche Frau in einer derartigen Verkleidung zu ihm schicken? Er deutete ihren Blick aus weit aufgerissenen Augen so, dass er die Wahrheit herausgefunden hatte.
Einen Moment lang sehnte er sich danach, sie trotz besseren Wissens zu nehmen, hier und jetzt und hart und schnell, und die Sache dann auf sich beruhen zu lassen. Antworten würden sich später finden. Aber er war der Sohn und Erbe seines Vaters. Die Interessen Northumberlands voranzutreiben war sein größter Ehrgeiz, schon seit er sich im Alter von dreizehn Jahren die ersten Sporen verdient hatte. Sein Ruf als kühner und skrupelloser Führer kam nicht von ungefähr; er hatte ihn sich verdient.
Er musste Antworten haben.
Wenn seine Feinde erfuhren, dass er hier war, dann waren die Pläne des Königs gefährdet.
»W-was?«, brachte Mary endlich hervor.
»Ich glaube, Ihr habt mich sehr wohl
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