Die Geliebte des Piraten
ist keine Entschuldigung dafür, in all diesen Jahren seiner Kindheit nicht für ihn da gewesen zu sein, Mylord.«
Granville sah sie durchdringend an. »Ich denke, Ihr habt mich genug gequält, um mich Granville nennen zu können«, sagte er. »Und Ihr habt Recht.«
»Warum dann jetzt? Warum mischt Ihr Euch in sein Leben, nachdem Ihr Euch mehr als dreißig Jahre Zeit gelassen habt, ihn zu finden?«
Granville ließ sich müde gegen einen Baum sinken. »Ich erfuhr, dass er meinen Namen angenommen hatte und nicht den seines Stiefvaters. Wie er die Wahrheit herausgefunden hat, weiß ich nicht, es ist auch nicht wichtig. Aber dieser Name hat ihn in Gefahr gebracht.«
»Raiden ist immer in Gefahr. Seit er ein Junge war, ist er vor dem Gesetz auf der Flucht. Weil Ihr Euch nie um ihn gekümmert habt.«
Granville richtete sich auf. »Hütet Eure Zunge, Lady Eastwick.«
»Nennt mich doch Willa«, schnappte sie zurück.
»Ich habe mich immer gekümmert, Willa. Denn ich liebe alle meine Kinder. Welcher Mann würde nicht voller Bewunderung auf sie schauen, so groß und stark wie sie geworden sind?« Eine Spur von Stolz färbte seine Stimme. »Und Raiden ist gut in dem, was er tut, und er ist, bei Gott, ein Mann, den man nur schwer aufspüren kann. Niemand weiß bis jetzt, dass der Schwarze Engel ein Montegomery …«
»Bastard. Sagt es laut, Granville. Dass er ein Montegomery-Bastard ist«, höhnte sie. »Wie ein halbes Dutzend anderer, die Ihr gezeugt habt. Er trägt den Makel seiner Geburt, während Ihr über die Kontinente tändelt und immer noch mehr Kinder in die Welt setzt.«
»Ich war in meiner Jugend nicht besonders achtsam, das gebe ich zu, aber in den vergangenen dreißig Jahren habe ich mich zurückgehalten. Manchmal allzusehr.«
Doch Willas Mitgefühl galt nur Raiden. Für das schreckliche, einsame Leben, das er hatte geführt, weil es seinem Vater in dessen Lüsternheit und Gefühllosigkeit egal gewesen war, wie viele Frauen er geschwängert hatte. Aber so wie man dem Mann, den sie liebte, nicht die Schuld an dem geben konnte, was in seiner Jugend geschehen war, konnte man es auch seinem Vater nicht ankreiden. »Also – warum sollte der Name Montegomery ihn in noch größere Gefahr bringen?«
»Weil meine Feinde auch zu seinen Feinden geworden sind.«
Willa wandte den Kopf in die Richtung, aus der die Trommeln dröhnten. »Wer?«, fragte sie geistesabwesend.
»Percival Dunfee.«
Sie sah ihn ungläubig an. »Der Admiral?«
Granville nickte und nahm seine Mütze ab, um sich mit der Hand durchs Haar zu fahren. »Er war der Mann, den Elise geheiratet hat. Er hat mir niemals vergeben, dass ich mit der Frau geschlafen habe, die er geliebt hat, und er hasst Raiden, weil die Geburt des Jungen den Tod seiner Frau verursacht hat.«
»Granville«, sagte sie und starrte ihn nachdenklich an. »Raiden hat noch ein Hühnchen mit Dunfee zu rupfen. Könnte es vielleicht darum gehen?«
»Ihr wisst es nicht?«
»Ich bin nicht mit allem vertraut, was in seinem Leben geschehen ist … noch nicht.«
»Dunfee will einen Montegomery. Ich glaube nicht, dass er weiß, dass Raiden der Schwarze Engel ist.«
»Oh, ich bin sicher, dass er davon keine Ahnung hat, denn ich bin dem Admiral begegnet. Für diesen Mann ist die Jagd auf Piraten eher ein sportliches Vergnügen.«
Eine Explosion erschütterte die Erde, und Willa hatte Mühe, sich auf den Beinen zu halten.
Granville riss sie zu Boden und zog seine Pistole. Die Trommeln waren verstummt.
»Heilige Mutter Gottes, was war das?«
»Es war kein Gewehrfeuer. Auch keine Kanonen.«
Es kam wieder, die Nacht wurde plötzlich taghell, die Erde unter ihnen bebte.
»Ein Erdbeben?«
»Und was ist dann das?« Granville erhob sich, und half Willa beim Aufstehen. Sie schaute in die Richtung, in die er mit der Pistole wies.
Im Dschungel war es lebendig geworden, lautes Krachen war zu hören, Lichtblitze zuckten durch die Nacht. Es war Gewehrfeuer, wie Willa erkannte.
»Sie sind entdeckt worden! O Gott!« Sie machte einen Schritt auf das Chaos zu, doch Granville riss sie zurück.
»Nein. Ihr habt versprochen, hier zu bleiben.«
»Er braucht mich.« Willa kämpfte gegen seinen Griff.
Granville schloss seine Arme fest um sie und sagte dicht an ihrem Ohr: »Was könnt Ihr schon tun, außer Euch selbst umzubringen? Er ist erfahren, Frau, ein Meister im Entkommen. Vertraut ihm.«
Willa wusste, dass er Recht hatte. Und sie hatte es versprochen. Ihre Panik würde nichts Gutes
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