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Die Geliebte des Piraten

Die Geliebte des Piraten

Titel: Die Geliebte des Piraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy J. Fetzer
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bringen. Jetzt blieb ihr nichts übrig, als zuzusehen und zuzuhören. Die schmerzerfüllten Schreie Sterbender zerrissen die Nacht wie das schrille, nervenzerrende Krächzen der aufflatternden Vögel. Rauch stieg über dem Dschungel auf, bedeckte die magentafarbene Dämmerung mit weißer Asche.
    Das Krachen von Pistolenschüssen ließ Willa erneut zusammenzucken, und sie kämpfte, um sich von Granvilles Griff zu befreien. Bitte, Gott, betete sie. Bitte nimm sie mir nicht. Ihre Kehle zog sich zusammen, brannte von Rauch und Tränen. Eine Gestalt rannte auf sie zu, ein Eingeborener, und Granville brachte ihn mit einem Schuss zu Fall, bevor er mit seiner Kriegsaxt Willas Schädel spalten konnte. Granville zog sich zurück, zerrte Willa mit sich, doch sie sträubte sich mit aller Kraft. Egal wie groß die Gefahr war, sie konnte Raiden nicht zurücklassen.
    Plötzlich begann die Erde zu grollen, und Willa sah es – den rotgoldenen Schein flüssiger Lava, den Staub von schwerer Asche, der herniederregnete.
    »Gott beschütze uns.«
    Der Vulkan brüllte. Faustgroße Steine wurden in den Himmel geschleudert, fielen zurück auf die Erde und durchschlugen den Laubbaldachin, während ein Strom aus geschmolzenem Fels sich über die Erde ergoss.
    »Allmächtiger! Kommt!« Granville zog sie in Richtung der Küste, auf die Renegade zu.
    »Nein.« Willa riss sich los. »Ich kann nicht – wie könnte ich ohne ihn gehen?«
    »Ich habe einen Eid geschworen!«
    »Er ist Euer Sohn!«
    »Ja, er ist mein Sohn.« Granville stöhnte, doch er packte sie erneut und zerrte sie durch das Dickicht zum Strand.
    Willa schrie nach Raiden, bis ihre Kehle rau war, doch es kam keine Antwort. Sie war unfähig, den Blick von der Stelle zu wenden, an der Raiden verschwunden war.
    Zeig dich! ,dachte sie. Verdammt, Raiden, zeig dich doch!
    Ein Mann kam aus dem Dschungel gelaufen.
    »Wartet!«, schrie sie Granville an und stemmte sich gegen ihn. »Dort!«
    Er drehte sich um.
    Es war Kahlid, ihm folgten Balthasar und der junge Vazeen. Und noch immer war von Raiden nichts zu sehen.
    »Raiden! « Sie schrie seinen Namen heraus, und ihr Flehen hallte von den Bäumen wider.
    Für den Bruchteil eines Herzschlags hielt das tobende Chaos inne, verstummten die Schreie, der Dschungel verharrte in glühend roter Dämmerung und Stille, als der Vulkan sein Blut über das Land ergoss. Willa schluchzte und schlug verzweifelt die Hand vor den Mund. Sie wollte losrennen, wollte losschreien, doch sie war unfähig, es zu tun. Ihr Puls raste.
    Rauch wirbelte auf, Blätter raschelten; dann teilte sich das Gewirr der Schlingpflanzen wie von unsichtbarer Hand und ein dunkler Schatten tauchte auf. Sein Gesicht war schwarz, sein Hemd zerrissen und blutbefleckt.
    »Raiden«, hauchte Willa und glaubte, die Beine würden unter ihr wegbrechen. Doch dann rannte sie auf ihn zu – und blieb stehen, als er die Arme hob und ihr den reglosen Körper ihres Sohnes entgegenhielt.

23
    »Er lebt«, sagte Raiden und legte ihr das Kind in die ausgestreckten Arme. Willa ließ sich zu Boden sinken und umklammerte ihren Sohn, tastete ihn nach Verletzungen ab.
    O Gott, er war so dünn.
    Sie schluchzte, hilflos und überglücklich, und als Raiden sich hinkniete, schlang sie den Arm um ihn. »Danke«, weinte sie, »danke.«
    Raiden streichelte ihr Haar, ihre Schulter. »Er ist unterernährt und schwach, aber er ist unverletzt.«
    Willa brach wieder in Schluchzen aus und ließ Raiden los, um ihren Sohn zu untersuchen. Sie bemerkte jede Schramme, jeden Schnitt, jedes Staubkorn. Mason rührte sich nicht, er lag mit geschlossenen Augen da, und Willa sah Raiden angsterfüllt an.
    »Er ist ohnmächtig. Ich glaube, ich habe ihm Angst gemacht.« Raidens Zorn flackerte wieder auf. Er hatte das Kind in einer Erdgrube voll mit schlammigem Wasser gefunden. Der dumpfe Ausdruck auf dem Gesicht des Jungen, als er zum Himmel hochgestarrt hatte, als wartete er auf einen Engel, der Mitleid mit ihm hätte, hatte Raiden vor Mitleid fast zerrissen. Als er in die Grube hinuntergesprungen war, hatte Mason sich nicht bewegt, hatte nicht gesprochen; nur seine großen Augen hatten vor Entsetzen geschrien. Als Raiden ihn auf den Arm hatte nehmen wollen, hatte der Junge sich gegen ihn gewehrt. Wie ein gefangenes Ferkel hatte er sich gewunden und die quiekenden Laute ausgestoßen, die die Kannibalen alarmiert hatten. Dann war Mason plötzlich verstummt und ganz schlaff geworden.
    »Komm jetzt, wir müssen uns beeilen.« Raiden

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