Die Geliebte des Piraten
auch.«
Perth winkte ab. »Er war ein grausamer Mann, Mylady. Nicht sehr angesehen – trotz seiner gesellschaftlichen Stellung. Ich würde mein Mitgefühl nicht an ihn verschwenden.«
»Das tue ich auch nicht.« Willa sah Perth von der Seite an. Er saß ein Stück weit von ihr entfernt, die Ellbogen auf die angewinkelten Knie gestützt.
Er bewegte sich unruhig, als er ihren Blick auf sich spürte. »Euch geht irgendetwas durch den Sinn, Mädchen. Warum starrt Ihr mich so an?«
»Ich habe darüber nachgedacht, warum Ihr manchmal mit einem Akzent sprecht und manchmal nicht.«
Sein Gesicht spannte sich an. »Nun, Ihr verfallt doch auch hin und wieder ins Irische.«
»Nur, wenn ich etwas getrunken habe«, erinnerte sie ihn. »Ihr hingegen sprecht ganz und gar wie ein Engländer. Wie ein Aristokrat, um es genau zu sagen.«
Er schnaubte und stach das Messer, mit dem er gespielt hatte, zwischen seinen Füßen in den Boden.
Die Trommeln dröhnten; Vögel kreischten über ihnen.
Willas Stimme klang sanft und mitfühlend, als sie fragte: »Wann werdet Ihr ihm sagen, wer Ihr wirklich seid?«
Sein Kopf fuhr hoch, seine Augen wurden schmal. »Und wer sollte ich sein?«
Willa stand auf und klopfte sich die Erde vom Hosenboden. »Sein Vater.«
Perth lachte, doch es war ein freudloses Lachen. »Ihr habt eine wilde Fantasie, meine Kleine. Ich bin ein Seemann und ich …«
»Treibt kein Spiel mit mir!«, fiel sie ihm scharf ins Wort; ihre Nerven und ihre Geduld waren durch das Warten auf Raidens Rückkehr ohnehin bis zum Zerreißen angespannt. »Ich kann die Ähnlichkeit sehen, die auch dieser Bart und die langen Haare nicht verbergen können. Ganz zu schweigen von der Art, wie Ihr esst und wie Ihr geht, wie Ihr zu Pferde sitzt.« Sie holte Luft. »Und Eure Art zu reden.«
Perth fuhr fort, mit dem Messer in der Erde zu graben.
»Ihr seid wie er. Ihr seid Granville Montegomery.«
Er hob den Kopf. Als er Willa ansah, erkannte sie in seinen Augen den Schmerz über die von Reue und Bedauern erfüllten Jahre. »Ja.«
Sie nickte. »Ist ein Hofknicks im Dschungel üblich, Mylord?«
Er schnaubte wieder und stand auf. Hoch aufgerichtet stand er vor ihr. »Spart Euch die Formalitäten, Lady Eastwick.«
»Bitte nennt mich nicht so. Ich habe noch nie daran geglaubt, dass die Abstammung allein jemanden adelt.«
Er lachte leise in sich hinein. »Dafür bin ich ja wohl der beste Beweis.«
Auch Willa hatte sich erhoben und ging jetzt auf ihn zu. Sie war dankbar für diese Ablenkung, dennoch empfand sie Mitleid mit ihm. »Warum habt Ihr Euch in seine Mannschaft aufnehmen lassen?«
»Um meinen Sohn kennen zu lernen, natürlich.«
So etwas hatte sich Willa gedacht. »Ihr scheint ja einige Söhne zu haben.«
Er zog die Augenbraue hoch, so ähnlich wie Raiden es oft tat, doch Willa konnte darüber nicht lächeln. Alles, was sie sah, war der Schmerz, den Raiden wegen der Gefühllosigkeit dieses Mannes gelitten hatte. »Was treibt einen Mann dazu, sein Kind beiseite zu schieben, auf und davon zu gehen und überall auf der Welt Bastarde zu zeugen?«
»Ihr habt kein Recht, so mit mir zu sprechen, Lady Eastwick.«
Mit einem Schritt war Willa bei ihm. »O doch«, zischte sie ihn an, »ich habe jedes Recht dazu. Ich liebe Raiden, und er liebt mich. Und Ihr habt ihm nichts als Leid gebracht. Er wurde zur Seite gestoßen, er hat auf der Straße gelebt, ein Bettler, der sich von Resten ernährt hat – wenn er überhaupt zu essen hatte. Das ist der wahre Grund, warum er zum Dieb geworden ist!«
Granville seufzte schwer. Er lauschte auf den Klang der Trommeln und auf jedes ungewöhnliche Geräusch, doch in Gedanken war er bei dem, was Willa gesagt hatte.
»Ich wusste nicht, dass man ihn verstoßen hat«, sagte er, und Willa hörte den Kummer in seiner Stimme mitschwingen. »Als seine Mutter, Lady Elise, erfuhr, dass sie schwanger war, heiratete sie den erstbesten Mann, bevor ich überhaupt wusste, dass sie mein Kind erwartete. Ich habe meinen Sohn nur einmal gesehen, das war nach seiner Geburt, und ich gab ihm seinen Namen. Der Mann seiner Mutter war zu der Zeit außer Landes«, fügte er hinzu, als er die Frage in Willas Augen las. »Sie starb nicht lange nachdem sie Raiden geboren hatte, und ich glaubte, das Kind würde von ihrem Ehemann großgezogen. Raiden war fast zwei, als ich erfuhr, dass dieser Mann ihn in die Obhut eines seiner Dienstboten abgeschoben hatte. Aber schließlich hatte ich jeden Anspruch auf ihn verloren.«
»Das
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