Die Geliebte des Piraten
kallu nippte und sich wünschte, es wäre Madeira. Er steckte sich eine Dattel in den Mund, während sein Blick zu Vazeen glitt, auf dessen Schoß ein Mädchen von höchstens sechzehn Jahren saß. Er vermutete, dass sie Engländerin war, denn in dieser Taverne verkehrten – bis auf die Bessergestellten – Männer jeder Nationalität und jeden Standes: portugiesische Kaufleute, Mongolen, englische und spanische Seeleute. Einige wenige Holländer. Doch ebenso wie die Einheimischen setzten die Soldaten der East India Company keinen Fuß in dieses Etablissement. Man begab sich nicht wissentlich in die Höhle des Löwen und forderte es heraus, von räuberischen Lebewesen auseinander genommen zu werden.
Die Spelunke war gut besucht. Überwiegend waren es Raidens Männer, die eifrig dem Alkohol zusprachen und mit den Dirnen schäkerten, die bei ihnen herumlungerten und ihnen für einen Penny ihre Dienste anboten. Raiden hatte erwogen, sich die Zeit mit einer üppigen Rothaarigen zu vertreiben, die sich gerade mit einem Mongolen unterhielt. Doch er hatte diese Absicht wieder fallen lassen und fortgeschaut, wohlwissend, warum er auf dieses Vergnügen verzichtete.
Er leerte seinen Becher und rief nach mehr kallu.
Das Mädchen saß jetzt rittlings auf Vazeens Schoß und hatte ihre Hand in dessen Hose geschoben.
Raiden warf eine Münze auf den Tisch, und Vazeen drehte sich zu ihm um. Sein Blick war verhangen. »Treibt es anderswo«, knurrte Raiden, und sein Blick aus schmalen Augen machte Vazeen klar, dass es Dinge gab, die nicht einmal er tolerieren würde. »Und trag das da nicht so offen herum.« Raiden wies auf die gestohlenen britischen Waffen, die der junge Mann stolz zur Schau trug. »Oderwillst du aller Welt verkünden, wer wir sind?«
Der Bursche sah Raiden begriffsstutzig an, doch dann nahm er die Münze vom Tisch, schob das Mädchen von seinem Schoß herunter und zog es mit sich zu einem der Hinterzimmer. Die beiden hatten den Raum kaum erreicht, als Vazeen das Mädchen auch schon hochhob, gegen die Wand drängte und es in heftigen rhythmischen Stößen nahm. Mit einem Fluch wandte Raiden den Blick ab und richtete sich auf, als er Tristan auf sich zukommen sah, der einen kleinen dicken Mann an seinen Tisch führte.
»Dieser ehrenwerte Gentleman ist bereit, sich uns anzuschließen.«
Raidens Blick streifte die Pistole, die sein Quartermeister dem kleinen Mann in den Rücken presste. Mit dem Fuß schob er dem Gast einen Stuhl zu und nickte. Wie ein gereizter Bär ließ sich Winston Pendergast darauf niederfallen, wobei er sich argwöhnisch umschaute. Tristan nahm den beiden gegenüber Platz. Unter dem Tisch hielt er die Waffe weiterhin auf den Mann gerichtet.
»Was sucht Ihr hier, Pendergast?«
Falls es den Mann überraschte, dass Raiden seinen Namen kannte, so ließ er es sich nicht anmerken. Er zuckte nur die Schultern und starrte verdrossen auf Raidens Becher. Als Raiden noch einen Krug kallu verlangte, hellte sich die Miene des Mannes etwas auf. Der Schankgehilfe schenkte erst ein, nachdem er sein Geld bekommen hatte, und Raiden warf Tristan einen unwilligen Blick zu, als dieser ein Taschentuch hervorholte und den Rand des Bechers damit abwischte, ehe er daraus trank.
Pendergast trank hastig den Dattelpalmenwein, bevor er sich mit dem Handrücken über den Mund fuhr und Raiden ansah. »Ich bin gekommen, um Euch zu sehen.«
Raiden zog fragend die Augenbraue hoch. »Und deshalb versteckt Ihr Euch wie ein geprügeltes Tier in der dunkelsten Ecke?«
Pendergast wirkte gekränkt. »Ich verstecke mich nicht, ich warte. Auch Ihr müsstet wissen, dass das eine etwas ganz anderes ist als das andere.«
Raidens Lächeln war dünn und eisig. »Und dennoch habt Ihr Euch hier hereingetraut?« Mit ausholender Geste wies er auf die berüchtigsten Kreaturen Kalkuttas, von denen die Taverne voll war. »Wo es doch Dutzende bessere gibt.« Sein Blick glitt über die elegante Kleidung des Mannes. Von den anderen stach er ab wie eine weiße Seepocke auf einem schwarzen Schiffsrumpf, und falls er dachte, dass er niemandem auffiel, irrte er sich. Es war einfach so, dass die Leute sich nicht um ihn kümmerten.
»Aber dort würde ich keinen Montegomery finden.«
Raidens Gesichtsausdruck blieb bei dieser Beleidigung unverändert, nur der Blick, mit dem er Pendergast musterte, verhärtete sich.
»Mir scheint, Eure Frau Mutter hat es versäumt, Euch Manieren beizubringen.« Tristan sprach gleichmütig, ohne sichtbares Zeichen
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