Die Geliebte des Piraten
bin in jeder einzelnen davon geübt.«
Als seine Zungenspitze ihren Mund berührte, keuchte Willa auf. Sie streckte die Hände aus, berührte Raiden aber nicht. Sie sehnte sich nach dem heißen Druck seines Mundes, kam ihm aber nicht entgegen. Wieder berührte seine Zunge ihre Lippen, ließ er sie darüber gleiten, und ein winziger Laut entfloh Willa. Es war ein Atmen, ein Wimmern, sie vermochte es nicht zu sagen, wusste es nicht, so stark brannte die Hitze dieser Berührung in ihr, so überwältigend war das so lang versteckte Flehen in ihrem Innern, das jetzt nach mehr verlangte als nach einer einzigen, quälenden Berührung. Sie spürte alle ihre Sinne, die wie eine reißende Flutwelle über sie hinwegspülten. Willa kämpfte gegen den reißenden Sog und wusste doch, dass sie niemals die Kraft hätte, eine solche Schlacht zu schlagen. Nicht mit ihm, niemals mit ihm.
Und Raiden spürte es, er spürte Willas pulsierendes Verlangen, die ungezähmte Sehnsucht zwischen ihnen, die nur darauf wartete, geweckt zu werden. Und die Mauer, die er um die dunkle Leidenschaft errichtet hatte, die in ihm tobte, zerbrach. Seine Muskeln spannten sich an. Sein Herz schlug hart und schwer, und er ballte die Hände. In diesem Augenblick begriff Raiden, dass die Bedrohung, die diese Frau für ihn bedeutete, nicht in der Vereinigung ihrer Körper liegen würde, sondern in der Offenbarung seiner Seele.
Augenblicklich zog er sich von ihr zurück, erwiderte ausweichend ihren Blick, als sie ihn verwirrt ansah. Dann wandte er sich ab und verließ die Kabine.
Willa taumelte zurück und ließ sich wie betäubt auf die Bank sinken. Folter? O nein, dachte sie. Das war nicht das richtige Wort. Sekunden später hörte Sie einen lauten Schlag, und die Wand, an der aufgereiht die Säbel hingen, wackelte.
Jenseits der geschlossenen Tür hob Raiden ein weiteres Mal die Faust und schlug sie krachend gegen die Wand. Dann presste er die Stirn gegen das Holz und widerstand dem kindischen Drang, so lange mit dem Kopf gegen die Wand zu laufen, bis er wieder zu Verstand gekommen wäre. Was hatte er sich nur dabei gedacht, auf diese Weise mit ihr zu spielen? Sein Verlangen nach ihr derart in Versuchung zu führen? Diese Frau brauchte ihn mit keiner Waffe zu bedrohen. Und der wahre Grund seines Aufruhrs war, dass sie es zugelassen hatte, dass er sie küsste. Sollte sie bislang noch irgendeinen Zweifel an seinem Verlangen nach ihr gehabt haben, so hatte er ihr dieses gerade unmissverständlich klar gemacht.
Er hatte das beunruhigte Flackern in ihren Augen gesehen, ihre Verwirrung und Ungewissheit darüber, was er mit ihr tun würde. Piraten waren dafür berüchtigt, sich die Frauen zu nehmen, wie sie es wollten, aber nur die jämmerlichsten Schurken unter ihnen töteten eine Frau und warfen sie über Bord, wenn sie von ihnen benutzt worden und für sie nicht mehr von Wert war. Oder sie hielten sie gefangen, um ein Lösegeld zu erpressen. Raiden hob den Kopf und starrte auf die Astlöcher im Holz. Er runzelte die Stirn. Glaubte Willa, er hielte sie deswegen an Bord fest? Weil es ihm um ein Lösegeld ging? Hatte sie sich deshalb geweigert, ihm irgendetwas über ihr Leben zu verraten, über ihre Beziehung zu Barkmon und warum sie in der Schänke gewesen war? War ihr Mann getötet worden, als er seinen Besitz hatte beschützen wollen? Lag die Wahrheit so nah? Aber warum sie dann verbergen?
Grundgütiger Gott, sein Kopf schmerzte ihm schon vom langen Grübeln darüber. Er stieß sich von der Wand ab und rief seinem Schiffsjungen einige Anweisungen zu, ehe er sich auf den Weg hinauf an Deck machte. Das grelle Sonnenlicht zwang ihn, die Augen zusammenzukneifen, als er zur Leiter ging und zum Achterdeck hinaufkletterte. Dabei legte er sich einen Plan nach dem anderen zurecht, wie er die Frau in seiner Kabine unter Kontrolle halten könnte. Und einen nach dem anderen verwarf er wieder, bis er den Gedanken daran erst einmal völlig beiseite schob. Er blieb stehen, legte den Kopf in den Nacken und atmete tief durch.
»Die Lady macht dir wohl Ärger?«
Raiden streifte Tristan mit einem Blick. Der Freund lehnte an der Reling, hatte die Beine lässig übereinandergeschlagen und genoss die Sonne. »Hast du nichts Besseres zu tun, als faul herumzustehen, Quartermeister?«
Dysart richtete sich bei Raidens scharfem Ton auf. »Wir haben einen neuen Mann an Bord.« Tristan wies auf einen Mann, der auf dem Vorderdeck damit beschäftigt war, Taue aufzuschießen. Er war
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