Die Geliebte des Piraten
Verantwortung für Nealy Perth trugen, bis dieser bewiesen hatte, dass er seinen Eid halten würde. Cheston und Curry nickten. Sie wussten, dass sie ausgesetzt werden würden, sollten sie bei dieser Aufgabe versagen.
»Was hatte Kalkutta außer Frauen und kallu noch zu bieten?«, fragte er die Mannschaft. »Was gibt es Neues?«
Die Männer berichteten ihm, was ihnen an Neuigkeiten und Gerüchten zu Ohren gekommen war, welche Schiffe mit Ziel auf die Gewürzinseln demnächst in See stechen würden. Mit Hilfe dieser Informationen und allem, was er selbst gehört hatte, legte Raiden das Vorgehen für den nächsten Beutezug fest.
»Sobald wir die Flussmündung erreicht haben, nehmen wir südlichen Kurs zum Indischen Ozean auf«, erklärte er den Männern. »Wir werden uns mit den anderen treffen. Wenn der Wind günstig ist und der Monsun uns nicht im Stich lässt, werden wir der Weston folgen und sie von achtern angreifen. Und alles sonst, was uns unterwegs vor den Bug kommen wird.«
Die Männer grinsten, und Raiden wertete das als Zustimmung. Bis auf Dysart und Kahlid, seinen Steuermann, schickte er die Männer an die Arbeit zurück. Die beiden folgten ihm zum Ende des Achterdecks, wo sie sich ungestört und unbelauscht unterhalten konnten.
»Die Soldaten hatten mich vor dem Kontor erwartet.«
Kahlid und Dysart tauschten einen Blick. »Die East India hat in jüngster Zeit drei Schiffe verloren, aber nur eines davon durch uns«, stellte Tristan fest.
Raiden stützte die Unterarme auf die Reling und beobachtete das Land, das am Horizont verschwand.
»Sie könnten auch hinter jemand anderem her gewesen sein und Euch mit ihm verwechselt haben, Captain«, meinte Kahlid.
»Es wird schwierig werden, den Verräter unter uns zu erkennen, vor allem mit einem neuen Mann an Bord, aber denkt nach, Männer – wer könnte gewusst haben, dass ich dorthin unterwegs war?«
»Ich würde mir eher die Finger abhacken als Eure Pläne zu verraten, Ibn Montegomery«, sagte Kahlid.
Raiden sah den hoch gewachsenen, schlanken Araber einen Augenblick lang an, ehe er sich aufrichtete. »Ich glaube dir, Freund, und ich bitte dich, deine Ohren offen zu halten. Ich will wissen, was unter den Männern geredet wird. Und wie sie ihre Arbeit tun. Außerdem darf niemand ohne Wissen des Quartermeisters den Laderaum betreten.«
Wenn unter seinen Männern ein Verräter war, was wollte dieser erreichen? Und für wen? Suchend schaute Raiden das Deck entlang. Sein Blick blieb an Nealy Perth hängen, der mit den schweren Tauen hantierte und sich dabei mit einigen Männern unterhielt.
Auf See würde er den meisten dieser Männer vertrauen, an Land nur einer Hand voll von ihnen und dann auch keinem, der nicht an seiner Seite gekämpft hatte.
6
Der Mond stand hoch an Indiens Nachthimmel, als Raiden auf seine Kabine zuging. Bis jetzt hatte er an Deck gearbeitet und sich sein weiteres Vorgehen überlegt. Und nun fühlte er sich gut gewappnet gegen das unerklärliche Verlangen, das er für die Frau empfand, die er gefangen hielt. Noch ehe er die Tür erreicht hatte, hörte er wütende Stimmen aus der Kabine. Ohne zu zögern stieß er die Tür auf- und blieb überrascht stehen. Mit nichts als einem großen, blauen Badetuch, in das sie sich gewickelt hatte, und tropfnassen Haaren stand Willa mitten im Zimmer und hielt ein Schwert auf Balthasar, den Koch der Renegade, gerichtet. In der Kabine herrschte leichte Unordnung: Auf dem Boden waren nasse Fußspuren zu sehen und ein Stuhl war umgekippt. Willa sah aus, als sei sie mit ihren Nerven am Ende, und Balthasars Turban saß seinem Träger auffallend schief auf dem Kopf.
Willa hatte sich schützend vor Jabari, den Schiffsjungen, gestellt und verteidigte diesen wie eine Löwin ihr Junges. »Schafft ihn sofort hier raus!«
Die Hände in die Hüften gestemmt, warf der hoch gewachsene, in ein wallendes Gewand gehüllte Beduine seinem Kapitän einen aufgebrachten Blick zu. »Sie ist ein sehr widerspenstiges Frauenzimmer, mein Kapitän.«
»Ich dachte, das käme nur mir so vor«, bemerkte Raiden müde und ging auf die Kontrahenten zu.
»Ihr solltet sie züchtigen.«
Willa schrie vor Empörung laut auf und schwang mit beiden Händen das Schwert vor Balthasars Gesicht hin und her. Ihr Badetuch drohte zu rutschen. »Ihr und jeder andere lasst gefälligst Eure Finger von mir und diesem Kind oder ich – oder ich werde es Euch in den Leib stoßen!«
Raidens Blick schoss zu Balthasar. »Was hast du getan?«,
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