Die Geliebte des Piraten
reagiere auf Beleidigungen von Barkmons Mätresse nicht gerade höflich.«
»Beleidigungen? Ihr habt mir vorgeworfen, Barkmons Hure zu sein, und habt mir jede Hoffnung darauf zerstört, meinen Sohn zu finden.« Laut der letzten Information, die sie bekommen hatte, war vor kurzem ein Schiff nach Süden gesegelt, das ein Kind an Bord gehabt haben sollte. Sie hatte bislang nicht herausfinden können, welches Schiff das gewesen war, und jetzt waren ihre alle Chancen genommen worden. »Das ist alles, was Ihr von mir bekommen werdet.«
Er machte einen Schritt auf sie zu und stellte sie damit vor die Wahl, zurückzuweichen oder von ihm berührt zu werden. »Ich nehme mir, was ich will, Willa, begreift das hier und jetzt. Ihr seid eine Bedrohung – für meine Schiffe und für meine Männer, auch wenn ich Euch glaube, dass Ihr Euren Sohn sucht. Aber wenn er auf den Gewürzinseln ist, dann ist er tot.« Willa schüttelte heftig den Kopf, bis Raiden ihn zwischen seine schwieligen Hände nahm und festhielt. Er spürte diese Berührung bis in die Tiefen seiner erbärmlichen Seele. »Sagt mir, warum der Offizier Euch töten wollte.«
»Ich weiß es nicht!« Sie schlug auf seine Hände ein und entzog sich ihm. Sie rieb sich das Gesicht, der Abdruck seiner Hände ließ ihr Herz schneller schlagen.
»Ihr lügt!« Raiden schlug so heftig mit der Faust auf den Tisch, dass die darauf liegenden Waffen klirrten. Willa zuckte erschreckt zusammen. »Euer Diener, der Offizier – beide sind Euretwegen getötet worden!« Ihr Schuldgefühl spiegelte sich auf ihrem Gesicht wider und Raiden nutzte dies für sich aus. »Mit wem habt Ihr es Euch verdorben?«
»Außer mit Euch, meint Ihr?« Er wird mir nicht helfen, Mason zu finden, überlegte sie, und deshalb braucht er auch nichts über meine Probleme zu wissen.
Raiden wollte sie packen und schütteln. »Wie kann ich Euer Leben beschützen, wenn ich nicht weiß, wovor?«
Sie konnte es ihm nicht sagen, nichts über Alistar und nichts darüber, was sie vermutete. Mit seinem übermäßigen Interesse an der East India Company und an Barkmon wäre das für ihn nur ein noch stärkerer Grund, sie festzuhalten. Und wenn sie enthüllte, welche Rolle Alistar bei alldem spielte, würde sie nie wieder Land sehen. »Erinnert Euch, Pirat, ich habe Euch nicht darum gebeten, mein Leben zu beschützen. Ich habe Euch gebeten, meinen Sohn zu retten, aber Ihr habt zu viel Angst vor den Moskitos, um das zu tun.«
Seine Augen verengten sich. »Ich fürchte den Dschungel nicht. Ich habe nur keine Lust, für eine Frau zu sterben.«
»Für was dann würdet Ihr sterben? Für Gold und Juwelen? Oder für die schmutzigen Silberlinge, die der Teufel Euch auf Eurem Weg in die Hölle zusteckt?«
»Ja.«
»Seid verflucht. Ihr sagt ja dazu, mein Leben zu retten, aber nein zu dem meines Sohnes, weil er niemandem außer mir etwas bedeutet und er Euch nichts nützt.« Sie biss sich auf die zitternden Lippen und musste sich zwingen, ihm keine Flüche an den Kopf zu werfen. Als sie Raiden wieder ansah, war der Ausdruck in ihren Augen so eisig wie das Nordmeer. »Ich weiß nichts, sonst wäre ich wohl kaum in diese Spelunke gegangen. Und was meinen Verbleib angeht –«, sie zuckte gleichmütig mit den Schultern, »– die Soldaten werden Barkmon sagen, dass ich von Marodeuren verschleppt worden bin, und sie werden ihre Suche einstellen und mich tot wähnen.«
Raiden schüttelte den Kopf. »Die East India wird nicht so einfach die Suche nach Euch einstellen. Sie wird jetzt auch uns jagen.«
»Euch jagt sie ohnehin, Schwarzer Engel. Admiral Dunfee hat es zu seiner persönlichen Aufgabe gemacht, Euch zur Strecke zu bringen!« Bei ihren Worten flackerte ein seltsamer Ausdruck in Raidens dunklen Augen auf. »Wenn Ihr nicht wollt, dass noch mehr Schiffe diese Gewässer durchkämmen, dann bringt mich an Land.«
»Um zu sterben?«
»Um mein Kind zu suchen.«
»Oder um in Barkmons Bett zurückzukehren?«
Allein schon bei dem Gedanken, Barkmon würde sie berühren, drehte sich Willa der Magen um. »Ihr denkt ans Bett, während ich an nichts anderes als an meinen Sohn denke. Habt Ihr denn nie so sehr geliebt, dass Ihr alles dafür getan hättet?«
Raiden starrte sie an. Er dachte an die kurze, unschuldige Liebe, die er vor so langer Zeit erlebt hatte. Die Erinnerung daran war zu einem vagen Schmerz verblasst und an dessen Stelle war ein Verlangen nach Rache getreten, das noch nicht befriedigt war. Aber sein Leben für die
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