Die Geliebte des Piraten
Piraterie?«
»Es ist das Einzige, was ich kann.«
»Ihr führt Eure Männer, Raiden. Sicherlich könntet Ihr …«
Er warf ihr einen abweisenden Blick zu. »Könnte ich was, Willa? Für die Krone kämpfen? Länder ihres Reichtums berauben, die sich ohne Englands Hilfe über Jahre einen blühenden Wohlstand aufgebaut haben? Und das alles unter dem Deckmantel, diese Länder mit einer Kultur beglücken zu müssen, von der das gottverdammte England annimmt, dass die Menschen dort sie brauchen?«
»Nein, aber …«
»Ich bin ein Dieb.« Raiden trat an den Schreibtisch und kramte in den darauf ausgebreitet liegenden Karten herum. »Ich bin immer ein Dieb gewesen.«
Immer? Sie ließ das nicht gelten. »Ja, und außerdem ein Gesetzloser und ein Bastard von Lord Granville Montegomery. Davon habe ich bereits gehört, und es spielt keine Rolle.«
Raidens Blick hob sich. »Ihr kennt ihn also?« In Anbetracht ihrer offensichtlich ausgezeichneten Erziehung überraschte es ihn eigentlich nicht.
»Nur wenige Leute in London kennen ihn nicht. Eure Brüder sind ziemlich berüchtigt.«
Seine Augenbrauen zogen sich zusammen. »Ich weiß nur von Ransom und einem weiteren Bruder.«
Der Eifer, der – wie sehr er ihn auch zu verbergen suchte – bei seinen Worten durchklang, löste in Willa tiefes Mitgefühl für ihn aus. »Seid Ihr denn nie Royce Tremayne begegnet?«
Er schüttelte den Kopf.
»Er lebt in Virginia, kommt aber oft zu Besuch nach Beaufort, das südlich von meinem Elternhaus liegt. Ich bin ihm recht oft begegnet.« Willa neigte den Kopf zur Seite und lächelte. »Er segelt auch ein Schiff«, sagte sie. Es amüsierte sie, dass beide Brüder Schiffe befehligten. »Aber das ist auch schon alles, was ich weiß.«
Raiden wusste nicht, ob er wütend oder erfreut sein sollte. Sein Vater verkehrte in ihren Kreisen, nicht in seinen. »Seid Ihr auch meinem Vater begegnet?« Er sprach leise und hielt den Kopf gesenkt, die Hände auf den Karten.
»Nein. Aber man hat mir erzählt, dass er sehr gut aussieht, selbst für sein Alter.«
Raiden schnaubte verächtlich. »Wahrscheinlich zieht er noch immer quer über den Kontinent und zeugt Bastarde.«
»Ihr hasst ihn.«
»Ich kenne ihn nicht einmal.« Durch den Vorhang seiner schwarzen Haare sah er Willa an. Er wusste nicht, was er auf ihre Frage noch antworten sollte. Mit einer heftigen Bewegung warf er das Haar aus dem Gesicht. »Wir werden morgen einen Hafen erreichen und vor Anker gehen.«
Willa seufzte bei dieser ausweichenden Antwort, ehe sie fragend die Stirn runzelte.
»Der Sturm hat sich schnell wieder gelegt, und wir sind nicht weit entfernt von der Küste«, erklärte Raiden.
Sie hätte geschworen, dass sie sich weit in der Bucht von Bengalen befänden, und bei seiner Ankündigung regten sich ihre Lebensgeister. Würde er jetzt sein Versprechen einlösen, Mason zu suchen? »Wie in Gottes Namen habt Ihr diese Schiffe so leicht gefunden?«
»Leicht? Es hat mich fast das Leben gekostet, die Zeit ihres Eintreffens herauszufinden.« Weil sich ein Verräter unter den Männern befindet, dachte er bei sich.
»Das ist nicht die Antwort, die ich hören wollte.«
»Es gibt nur wenige Männer, die sich in diesen Gewässern auskennen, und die Engländer gehören nicht dazu. Ich segle hier, seit ich ein Kind war. Ich kenne die Strömungen und das Wetter, und ich kenne die Route, die sie fahren. Es ist nur eine Frage der Geduld.«
»Und die anderen?« Willa wies auf die zurückbleibenden Schiffe, die beide neben dem brennenden englischen Schiff lagen.
»Sie tun, was sie wollen.« Er behielt für sich, dass er die anderen oft als Köder benutzte.
Dann haben vielleicht die anderen Kapitäne die Decks schleifen und alle Männer töten lassen, überlegte sie. »Und der Kapitän der Sea Warrior? Wer ist er?«
»Mein Halbbruder.«
»Ah, dann habt Ihr also doch Familie.«
»Das Jahr meiner Geburt war ein ausgesprochen fruchtbares, denn Montegomery hat seinen Samen im ganzen Land verstreut.« Sarkasmus klang aus Raidens Worten. »Außerdem weiß er nicht, dass wir verwandt sind.«
Willa war verblüfft. »Wie konntet Ihr es ihm verschweigen?«
»Er ist noch nicht so weit, es zu erfahren. Und außerdem will ich nicht, dass er es weiß.«
Raiden wandte den Blick ab. Als das Schiff krängte, spreizte er die Beine, um die Bewegung abzufangen. Er wollte sich um niemanden sorgen müssen, noch wollte er, dass irgendjemand um ihn trauerte, wenn er starb. Er hatte in seinem Leben
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