Die Geliebte des Piraten
genug getrauert und wollte diesen Schmerz keinem anderen zumuten. Gram zu leiden war eine langsame Art zu sterben. Nichtsdestotrotz empfand er eine tiefe Betrübnis über das Leben, das er führte. Und dieses Gefühl hatte Willa in ihm ausgelöst. Willa mit ihren strahlenden grünen Augen und ihren geistreichen Bemerkungen. Mit ihrer flammendroten Haarmähne und ihrem sinnlichen Körper. Und mit ihrem Herzen, das sie auf der Zunge trug und ihm ins Gesicht sagte, was sie dachte. Willa machte ihn sehen, wie tief er gesunken war.
»Was ist?« Er schaute auf. »Fällt Euch keine passende Bemerkung dazu ein?« Er runzelte die Stirn. Willa sah ein wenig blass aus.
»Das kommt, weil es schon so spät ist.« Willa wollte den Wasserkrug holen. Nach einigen Schritten blieb sie stehen und presste die Hand auf den Mund. Sie schluckte heftig und hoffte, sich nicht übergeben zu müssen. »Das dämpft meinen sprühenden Witz.«
»Es war wohl ein bisschen zu viel Rum?«
Muss er das gerade jetzt zur Sprache bringen, fragte sie sich. Als sie das neckende Funkeln in seinen Augen sah, dachte sie, wie äußerst anziehend Raiden war. Doch sie wollte ihren Zorn auf ihn nicht aufgeben. »Es ist sehr unhöflich von Euch, das zu erwähnen.« Willa ließ sich auf die Polsterbank sinken und betete, dass ihr Magen sich beruhigen würde.
»Ich habe nie Manieren gehabt. Fragt Tristan.« Raiden ging zu einem der kleinen Schränke, die neben dem Bett standen, und nahm einen Becher und drei kleine, mit Korken verschlossene Flaschen heraus. Er füllte den Becher mit Wasser und rührte aus den Fläschchen einige Prisen Kräuter hinein, während er zu Willa ging. Er reichte ihr den Becher.
Sie beäugte den zusammengebrauten Trank misstrauisch. Er sah scheußlich aus. »Ich glaube nicht, dass das helfen wird.«
»Es wird, vertraut mir.«
»Ich denke, Ihr habt sehr viel mehr getrunken als ich«, bemerkte Willa und ergriff widerstrebend den Becher.
»Das schon, aber ich spreche nicht mit einem breiten irischen Akzent, wenn ich betrunken bin.«
Willa errötete heftig. »Das habe ich nicht getan.«
»Doch, mein Mädchen, das habt Ihr.«
Sie verbarg ihre Verlegenheit, indem sie einen Schluck von dem Gebräu kostete. Es schmeckte so garstig wie es aussah und sie trank es rasch hinunter, schüttelte sich und gab Raiden den Becher zurück.
»Ja, so seid Ihr ein braves Mädchen«, sagte er, und Willa blitzte ihn aufgebracht an.
Als Raiden sie anlächelte, lächelten auch seine Augen. Und die Wirkung traf Willa mitten ins Herz. In ihr keimte ein Gefühl auf, das sie wärmte wie die Glut der Sonne. Wenn er lächelte, sah er so umwerfend attraktiv aus, dass ihr Herz schneller schlug. Und sie fragte sich, was mit dem zornigen, verbitterten Mann geschehen war, der er noch vor wenigen Augenblicken gewesen war. Mit jener Seite an ihm konnte sie umgehen, ohne dass ihre Vernunft sie im Stich ließ. Aber wenn er sie neckte, dann war sie so … verletzlich. Willa dankte ihm und erhob sich, sank aber gleich wieder auf die Bank zurück, als ihr schwindelig wurde. Sie stöhnte. »O je, wie lange braucht dieser Trank, um zu wirken?«
»Ein Weilchen.«
Sie hob nur den Blick. »Es soll aufhören.«
Er versuchte, nicht zu lächeln und verzog den Mund.
»Schön, lacht nur. Tut Euch keinen Zwang an.« Sie drohte ihm mit dem Finger. »Aber denkt daran, dass ich auch kein Mitleid haben werden, sollte es Euch einmal schlecht gehen.«
Raiden grinste.
»Macht, dass dieses Schiff still steht!«, brauste Willa auf.
»Denkt an etwas anderes.«
An etwas anderes? War er verrückt? Alles um sie herum wankte und schwankte. Allmächtiger Gott. Willa holte tief Luft und befolgte Raidens Rat. »Habt Ihr gute Beute gemacht?«
Er verschränkte die Arme vor der Brust und starrte auf ihren gesenkten Kopf. »Es reicht.«
»Dann seid Ihr jetzt … stinkreich.«
Raiden verriet nicht, dass er auf seinen Anteil an der Prise verzichtet hatte, um seinen Anspruch auf sie gegenüber seinen Männern abzugelten. »Vermutlich.«
Sie schaute auf. »Dann solltet Ihr Euch vielleicht in Eurem Reichtum baden.« Sie zeigte auf das Blut auf seiner Weste.
Raiden schaute an sich herunter. Dann legte er Gürtel und Weste ab, warf beides zur Seite und zog Willa von der Bank hoch. »Geht zu Bett«, sagte er.
»Ich bin nicht müde«, nuschelte sie, »und ich werde hier schlafen.« Sie zeigte schläfrig auf die Kissen, die hinter seinem Schreibtisch auf dem Boden aufgetürmt lagen.
»Nein, ins
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