Die Geliebte des Rebellen
wäre. Auch den Männern, deren Töchtern und Frauen unaussprechliche Gewalt von den englischen Horden angetan wurde, wäre Eure Herkunft mütterlicherseits herzlich egal. Für diese Menschen würde nur zählen, dass Euer Vater ein Freund der Königin ist, in deren Namen Irland ausgeblutet wird.”
Mit wachsendem Entsetzen hatte AnnaClaire seinen Worten gelauscht. In ihrer Fantasie sah sie Bilder zu Rorys Schilderungen, und dieses Grauen zusammen mit ihrer grenzenlosen Erschöpfung führte dazu, dass sie ihre Selbstbeherrschung verlor. Tränen rannen ihr über die Wangen, und unter heftigen Schluchzern wollte sie wissen: “Seid Ihr deshalb so geworden wie die Männer, die Ihr so abgrundtief hasst?”
“Glaubt Ihr das wirklich von mir?” Rory schüttelte den Kopf. “Traut Ihr mir zu, dass ich jemals eine Frau gegen ihren Willen nehmen würde? Ich kann Euch versichern, Mylady, dass Eure Tugend bei mir bestens aufgehoben ist. Ich bin nicht so wie die englischen Bastarde, die Frauen Gewalt antun, plündern und brandschatzen. Aber wenn ich bei meinem Kampf auch einige unschuldige Soldaten töten muss, kann ich es auch nicht ändern. In diesem Fall bin ich dann ähnlich denen, die ich verachte. Denn es musste endlich jemand den Mut aufbringen und den Engländern zu verstehen geben, dass wir Iren genug haben von der Unterdrückung.”
Rory versank in Gedanken an die Vergangenheit. Seine Gesichtszüge wirkten wie versteinert, als er fortfuhr: “Ich erreichte diesen Punkt nach dem Mord an einer jungen Frau, die auf dem Weg zu ihrer Hochzeit war.” Seine Stimme zitterte verdächtig, doch nur für einen Moment. Dann sprach er leise weiter. “Und dem Mord an ihrer gesamten Familie. Andere Menschen verloren die Mutter, den Vater, Söhne oder Töchter, die wie Vieh abgeschlachtet wurden aus dem einen einzigen Grund: Sie waren Iren.”
“Und das rechtfertigt Eure Handlungen gestern Abend?”
“Gestern Abend? Was habe ich denn getan?”
AnnaClaire wischte sich die Tränen ab. “Mir geht es gar nicht so sehr um mich selber. Es geschieht mir ganz recht, so ausgenutzt worden zu sein. Das war nur die gerechte Strafe für meine Gutgläubigkeit. Ich hätte es schließlich besser wissen müssen. Warum war ich auch so dumm, einem Fremden zu vertrauen und ihn in mein Haus und … mein Herz zu lassen.”
Durch den Tränenschleier konnte AnnaClaire nicht sehen, wie Rory auf ihr Geständnis reagierte. Er riss die Augen vor Überraschung weit auf, und dann erschien auf seinem Gesicht ein weicher und liebevoller Ausdruck.
AnnaClaire war noch nicht fertig. “Aber Bridget und Tavis haben diese schlechte Behandlung nicht verdient, Rory O’Neil. Eure Männer haben den alten Mann übel zugerichtet und meine herzensgute Haushälterin fast zu Tode erschreckt. Von den gestohlenen Pferden will ich gar nicht reden …” Jetzt blickte sie ihn an. Er lächelte! Was fiel ihm ein!
Zorn stieg in ihr hoch. Im nächsten Moment stieß sie wütend den Tisch um und sprang auf die Füße. “Verflucht sollt Ihr sein, Rory O’Neil! Was ist so lustig daran? Oh, ich hasse Euch!”
“AnnaClaire! Wunderbare, bezaubernde AnnaClaire!” Lachend griff er nach ihrer Hand und zog sie an die Lippen. “Das war doch alles nur eine List, Teil unseres Plans.”
“List?” Sie zog die Hand zurück, als hätte sie sich verbrannt, und musterte ihn argwöhnisch. “Was für eine List meint Ihr?”
“Tavis wirkte bei unserem Vorhaben mit und Bridget auch. Das Blut an seinem Kopf war reines Hühnerblut.”
In Gedanken sah AnnaClaire wieder ihren alten Kutscher vor sich mit der schlimm wirkenden Verletzung. “Heißt das etwa, Tavis wurde gar nicht zusammengeschlagen?”
“Warum sollten wir einem treuen Sohn Irlands etwas zuleide tun?”, versetzte Rory. “Der Mann hat sein Leben riskiert, um für uns alle Unterschlupf zu finden, wo wir unsere Verletzungen behandeln konnten. Ohne Tavis und seine geliebte Bridget wären wir alle, die wir an jenem Tag bei den Docks gekämpft haben, elendig zugrunde gegangen.”
Es dauerte eine Weile, bevor AnnaClaire diese Neuigkeiten vollständig aufgenommen hatte. Dann stemmte sie die Hände in die Hüften und blickte Rory herausfordernd an. “Wenn das alles der Wahrheit entspricht, verstehe ich nicht, wieso Tavis und Bridget mir nichts davon erzählt haben.”
“Sie waren sich nicht sicher, ob ihre bezaubernde junge Herrin überzeugend würde lügen können. Sie vermuteten allerdings, dass Ihr, wenn Ihr nichts von
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