Die Geliebte des Rebellen
unseren Plänen wüsstet, genauso reagieren würdet, wie Ihr es dann ja auch getan habt, nämlich mit Entsetzen.”
“Das wussten die beiden? Und Eure Männer auch?”
Er nickte.
“Und dennoch habt Ihr es zugelassen, dass ich die ganze Nacht weinte, mich sorgte und Angst hatte? Und Ihr habt kein Wort gesagt, um mich zu beruhigen?”
“Dafür bitte ich Euch um Verzeihung, Mylady. Aber gleichzeitig möchte ich Euch daran erinnern, dass sich Dunstans Soldaten bereits auf Eurem Besitz aufhielten, bevor ich die Flucht ergreifen konnte. Und im Laufe der Nacht sind sie uns mehrmals gefährlich nahe gekommen. Ich hatte einfach andere Dinge im Kopf, als mit Euch zu reden.”
“Andere Dinge.” AnnaClaire wandte sich ab, denn schon wieder rannen ihr Tränen über die Wangen. Doch jetzt weinte sie vor Erleichterung. “Rory, wenn Ihr wüsstet, was ich gedacht und wie ich Euch gehasst habe! Und mich selber für das Vertrauen, das ich in Euch gesetzt hatte.”
Rory legte ihr die Hände auf die Schultern und drehte AnnaClaire zu sich herum. Er hielt sie fest an sich gepresst und strich ihr unablässig über den Rücken. Dabei flüsterte er: “Ich hoffe, dass Ihr mir irgendwann vergeben könnt. Es ging ja nicht nur um meine eigene Flucht. Ich hatte auch dafür zu sorgen, dass alle, die mir geholfen haben, ebenfalls entkamen.”
Er überlegte, wie er seine Beweggründe noch deutlicher machen konnte. “Ich musste Dunstan davon überzeugen, dass Euer gesamter Haushalt ohne Euer Wissen von mir benutzt wurde. Sonst hätten alle in Clay Court einen hohen Preis zahlen müssen. Der ehrenhafte Name Eures Vaters wäre für alle Zeiten ruiniert gewesen, und die Königin hätte ihn enteignet. Ich entführte Euch, damit Dunstan gar nicht erst auf irgendwelche gefährlichen Gedanken kommen konnte.”
“Oh Rory!” AnnaClaire fiel ihm weinend um den Hals. “Über diese Dinge habe ich überhaupt nicht nachgedacht. Gott sei Dank für Eure Klugheit und Voraussicht. Ich stehe für immer in Eurer Schuld.”
“Nein, zauberhafte AnnaClaire”, wehrte Rory ab und wischte mit einem Daumen ihre Tränen fort. “Gemessen an dem, was Ihr für mich getan habt, werde ich meine Dankesschuld niemals abtragen können. Und nun will ich keine Tränen mehr in Euren wunderschönen Augen sehen. Ruht Euch ein wenig aus, während ich mich um das Essen und Trinken kümmere.”
Mit einem wohligen Seufzer kuschelte sich AnnaClaire unter die weichen, wärmenden Felle. Sie fühlte sich wie von einer großen Last befreit. Rory war tatsächlich der Held, den sie beinahe von Anfang an in ihm gesehen hatte.
Er hatte für die Sicherheit der alten Bediensteten gesorgt, AnnaClaires Ruf und den ihres Vaters geschützt und sie aus einer bedrohlichen Lage befreit, während sie ihn in ihrer Unwissenheit gerade dafür verdammt hatte.
Es war im Moment einfach alles zu schön, um wahr zu sein. In dem wunderbaren Gefühl von Geborgenheit glitt AnnaClaire in einen tiefen Schlaf.
Rory zog die Stiefel aus, streckte sich neben AnnaClaire auf dem Lager aus und stopfte sich einige zusammengerollte Felle unter den Kopf. Er hob den mit Ale gefüllten Becher an die Lippen und dachte dankbar an die umsichtigen unbekannten Helfer, die die wichtigsten Nahrungsmittel in die Hütte gebracht hatten.
Nachdenklich blickte er auf die schlafende AnnaClaire. Sie sah aus wie ein Engel. Das war die erste Vision gewesen, die er in seinem Fieberwahn von ihr gehabt hatte. Sie verdiente ein besseres Leben als dieses hier.
Doch nachdem er sie entführt hatte, gab es für Rory keinen Weg mehr zurück. Sie würde noch viele Nächte mit ihm im Sattel verbringen und sich bei Tag wie eine gemeine Diebin verstecken müssen.
Er erinnerte sich an den Mut und die Würde, die sie gezeigt hatte. Wie ein Albtraum musste es für sie gewesen sein, zu sehen, wie ihre Dienstboten in Angst und Schrecken versetzt wurden. Und ihr eigenes Leben war völlig auf den Kopf gestellt worden.
Doch AnnaClaire hatte weder den Mut verloren noch war sie ohnmächtig geworden. Sie hatte Haltung bewahrt und zudem ein Temperament offenbart, von dem er begeistert war. Kein Wunder, dass er sie so sehr liebte!
Liebe! Die Erkenntnis traf Rory wie ein Blitz. Er hatte sie nicht lieben, sondern nur das annehmen wollen, was sie ihm angeboten hätte. Aber das körperliche Begehren war einem sehr viel tieferen Gefühl gewichen.
Er wusste, was es hieß, zu lieben. Liebe bedeutete, das Wohlergehen des anderen über das eigene zu
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