Die Geliebte des Trompeters
Mum und ihrem Dad in der Küche zu sitzen, dabei wußte er nichts von ihnen, von diesen deutschen Eltern, die ihn womöglich gar nicht kennenlernen wollten oder die vielleicht doch Nazimonster waren, und zu Hause in Glendale hätten sie gelacht über seine plötzliche Anhänglichkeit. Also war er verwirrt und verstand sich selbst nicht. Und war froh über so einfache Mädchen wie Moni, die ungefragt hinter ihm herlief auf ihren Schuhen mit dem hohen, blockartigen Absatz, und die sich nur amüsieren wollte. Als er am Army-Club ankam, hatte sie ihn beinahe eingeholt, also wartete er |126| nun doch ein bisschen, schließlich musste man manchmal den Gentleman geben, aber Chet richtete es immer so ein, dass die Mädchen es merkten und deshalb gleich kapierten, dass sie besser keine weiteren Ansprüche stellten, das spürte jetzt auch Moni, sagte kurz
thank you
, als er ihr den Vortritt ließ, und war damit zufrieden, dass er sie in den Club schleuste. Dieses Benehmen hatte er von Dick, er wusste eigentlich nicht, ob er es wirklich gut finden sollte, aber Dick hatte es ihm beigebracht, und ziemlich häufig benahm sich Chettie so, als würde Dick ihn beobachten und ihm Noten für sein Verhalten geben. Oder als wollte er eigentlich Dick gefallen. Jetzt dachte Chet ungern an Dick, auch wenn er ihm seinen Auftritt vorhin nicht weiter übelnahm.
Moni hatte keinen Ausweis, natürlich nicht, ihr Aussehen war so imposant, dass sie überall durchkam, meistens jedenfalls, und wenn nicht, veranstaltete sie ein Mordsgeschrei, was den Betreibern der Clubs auch nicht recht sein konnte, also arrangierten sie sich mit Moni. Trotzdem war es leichter für alle Beteiligten, wenn sie einen Begleiter hatte. Und dieser Begleiter war jetzt Chet. Er ließ sie an sich vorbei, er gab ihr einen kleinen Schubs in Richtung der Bar, aber dann hatte er sie schon vergessen.
Im Club war es voll und stickig. Amerikanische Soldaten, ein paar Franzosen und Briten und jede Menge Mädchen. Eine Band, die offenbar schon länger spielte, und Paare, die offenbar schon länger tanzten. Auf Cocktailsesseln lümmelten sich einige von der Army, die er flüchtig kannte, jeder ein Mädchen auf seinem Schoß. Als Chet an ihnen vorbeiging, roch er das Aroma von Haaren, Reste von Parfüm und dazu diese untrügliche Mischung aus Körpern und Hunger. Er trank einen Whiskey, irisch, der biss wohltuend in den Hals und machte, dass die Augen tränten. Noch einer! Allmählich kam er zur Ruhe. Aber gut war das auch nicht. Denn nun |127| tauchte das Bild wieder auf, das ihn verfolgte. Das Bild, das kein Porno aus seinem Gedächtnis hätte vertreiben können. Das Bild, von dem er nicht loskam.
Vor zwei Tagen hatten sie am Flughafen geprobt, die 298th Army Band und dazu ein paar andere Kapellen, die der Franzosen und auch ein paar deutsche. Hatten sich auf eine Parade vorbereitet, die Anfang Juli für geladene Gäste in Tempelhof stattfinden sollte, für einen Marsch der Musiker, der an den weiten Schwingen des Flughafengebäudes vorbeiführen würde, ein Musikermarsch, der die martialische Führer-Architektur in eine heitere, eine harmlose Kulisse verwandeln sollte.
Sieben Mal um Jericho, hatte der Methodisten-Prediger lachend gesagt, vielleicht stürzt die ganze Bude dann endlich ein! Die Jungs von der Army hätten nichts dagegen gehabt. Die von der Air Force nicht, weil sie der Flughafen mitten in der Stadt bei der Landung vor gewaltige Probleme stellte, die Jungs von der Army Band, weil sie die Fahrerei satt hatten, weil es hier keinerlei Logistik gab, nur eine brachiale Architektur, außen einschüchternd und innen kalt wie eine Fleischhalle. Das größte Gebäude Europas.
Außer der Abneigung gegen Tempelhof verband die Air-Force-Piloten und die Musiker nicht viel. Die Musiker hatten keine Lust, für die Parade zu üben, denn die Air Force würde sowieso alles vermasseln, der infernalische Lärm, den die Piloten mit ihren großen Vögeln machten, mit der B 24 und der B 17, die sie
Flying Fortress
nannten, würde jeden
Sousa March
und jedes Volkslied übertönen.
Muss i’ denn, muss i’ denn …
Verbissen übten die Musiker die deutschen Volkslieder ein, die außer ihnen niemand hören würde.
Die Boys von der Air Force stahlen ihnen im Augenblick jede Show. Sie flogen den lieben langen Tag über Berlin Formation – eine Demonstration der Stärke, weniger an die Berliner gerichtet als an die Russen, die die westlichen Alliierten |128| ihrerseits durch Manöver im
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