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Die Geliebte des Trompeters

Titel: Die Geliebte des Trompeters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Jaskulla
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bisschen bange. Dabei wusste sie durchaus, dass Renate mit ihren Zweifeln so unrecht nicht hatte: Was für ein Baby! Und schwierig! Aber das musste Renate nicht merken. Ricky war ein wenig erleichtert, als Renate beschloss, sich ohne sie umzuschauen. Mit dir ist ja heute nichts Vernünftiges anzufangen! Glotz du dir nur in aller Ruhe die Augen aus! Renate gab ihr einen freundschaftlichen Stubs und sah sich nach Unterhaltung um. Und wurde schneller fündig als gedacht: Sie traf Thierry wieder, aus der |133| Einheit von Jean-Pierre, der sich aufrichtig freute, das Fräulein wiederzusehen, das ihm damals der Vorgesetzte so knapp vor der Nase weggeschnappt hatte   … Für Zukunftspläne waren diese Mädchen nicht geeignet, wohl aber für Erinnerungen. Und das Mädchen tanzte gut – Herrgott, wie gut das Mädchen tanzte!
    Die Schwestern verloren sich aus den Augen. Sie würden sich später wie immer dort treffen, wo die Akazienstraße auf den Kaiser-Wilhelm-Platz stieß, um gemeinsam ins Haus zu schleichen. Das mussten sie nicht verabreden, das wussten sie. Renate verschwand bald mit ihrem Franzosen, schaute sich in der Tür halbherzig um, winkte zum Abschied ins Ungefähre, über die Tanzenden, Trinkenden, Plaudernden hinweg. Eigentlich war sie für die kleine Schwester verantwortlich, aber an diese alte Sitte erinnerten sie sich nur, wenn es ihnen gelegen kam. Jetzt nicht. Thierry zog sie mit sich fort. Ricky bemerkte nicht, dass Renate gegangen war. Sie bemerkte auch nicht, dass ihr der Kellner, zunehmend ungeduldig, etwas zu trinken anbot. Immer lauter redete er auf sie ein, gestikulierte gegen den Lärm an. Ricky beachtete ihn nicht. Irgendwann gab er es auf. Ricky beobachtete immer noch Chet. Sie beobachtete ihn gern. Wenn sie ehrlich war, konnte sie sich immer noch nicht sattsehen an dem Jungen. Aber was wusste sie eigentlich von ihm? Wenig, sehr wenig, und zum ersten Mal beunruhigte sie dieser Gedanke.
    Chet spürte, dass ihm jemand mit Blicken folgte. Aber er war zu müde und zu betrunken, um der Sache auf den Grund zu gehen. So viele Menschen hier, so viele Gesichter. Es war heiß, es war unübersichtlich, er fühlte sich nicht recht wohl. Von Zeit zu Zeit wirbelte Moni an ihm vorbei, die ihrem Galan tüchtig einheizte, sie richtete es so ein, dass viel von ihren schwarzen Strümpfen zu sehen war. Diese Strümpfe mit der langen schwarzen Naht hinten waren ihr ganzer Stolz. Andere |134| deutsche Mädchen trugen nur Söckchen an den nackten Beinen, was ihnen das Aussehen von Schulmädchen gab. Chet mochte die Söckchen-Mädchen lieber. Die rote Farbe auf ihren Lippen wirkte unpassend, wie aufgemalt, als hätten sich die Kleinen bei ihren Müttern bedient. Chet wischte sich die Stirn. Wieder Moni, mit einer schneller Jitterbug-Drehung an ihm vorbei. Ihr Tänzer schwitzte gewaltig, ein dicklicher Sergeant, der sie mit der Linken im Nacken festhielt, während er mit der Rechten in der Luft ruderte, als hinge dort irgendwo ein Tau, an dem man sich festhalten konnte. Sie verschwanden wieder in der Menge. Andere Paare kamen näher, drehten sich, schoben sich, sprangen, stampften, die Frauen mit den bemalten Mündern an den Ohren der Männer. Die Männer wie schwer arbeitend, keuchend, die Hände in die Rücken der Frauen gegraben, in die Schultern, auf die Pobacken gepresst, mit wachen Augen, angestrengten Gesichtern. Und da – die Tür wurde aufgerissen, die Musik brach jäh ab! Chet schaute kaum auf. Nervöses Gemurmel, Fragen, Blicke, ein paar Mädchen kreischten erschrocken.
    Schnelle, schwere Schritte bahnten sich einen Weg in den Club: Polizei, amerikanische Militärpolizei, und dahinter die Beamten der gefürchteten
Zentralstelle.
Geübt besetzten sie den Club in Sekunden. Instinktiv fingerte Ricky nach ihrem Ausweis.
    Zentralstelle zur Bekämpfung von Geschlechtskrankheiten,
so hieß die Behörde, die, vor einem Jahr eingerichtet, weitreichende Befugnisse hatte. Sie führte Razzien durch. Sie konnte Mitglieder verdächtiger Berufsgruppen in Gewahrsam nehmen und zwangsuntersuchen lassen. Die Beamten waren der Schrecken der Kellnerinnen, der Tänzerinnen, der Bardamen. Viel bewirken konnten sie freilich nicht: Dreieinhalbtausend Fälle von Gonorrhoe und Syphilis wurden jeden Monat bekannt.
    |135| Manche Mädchen versuchten vergeblich, sich hinter den Rücken ihrer Begleiter zu verstecken. Sie wussten, was jetzt auf sie zukam: Ausweiskontrolle! Papiere! Möglicherweise eine hochnotpeinliche Untersuchung! Eine

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